Shardik
berührten. Und eben das würde durch seine Dimension alles früher begangene Unrecht, jede Verletzung der Wahrheit überschreiten – sogar rechtfertigen – ja sogar – und da versagte sein Gedankenflug und wich dem Bild der Gelter Straße bei Monduntergang, wie er selbst stumm dort stand, während Ta-Kominion seine Gefangene talwärts davonführte. Dann stöhnte Kelderek und begann, außerhalb der Stangen auf und ab zu schreiten, schlug die Fäuste gegeneinander, um seine Gedankenkette zu unterbrechen, und drehte den Kopf hin und her, als ahmte er den geplagten Shardik nach.
Denn die Erinnerung an die Tuginda ließ ihm keine Ruhe, obwohl das Ergebnis klar erkennen ließ, daß Ta-Kominion recht gehabt haben mußte und daß sie das wunderbare Geschenk des Sieges durchkreuzt und die Eroberung von Bekla vereitelt hätte. Nachdem Shardik in die Stadt gebracht worden war und alle außer den südlichen Provinzen rund um Ikat die Herrschaft der Eroberer anerkannt hatten, beschlossen die Barone mit Keldereks vollem Einverständnis, daß es großmütig und auch klug wäre, Boten zu der Tuginda zu schicken, um ihr zu versichern, daß ihr irrtümliches Urteil nun vergessen und es für sie an der Zeit sei, ihren Platz neben ihnen einzunehmen; denn ungeachtet all dessen, was Kelderek nun bedeutete, konnte sich kein Ortelganer von jener schicksalschweren Scheu vor Quiso freimachen, die ihm schon mit der Muttermilch eingeflößt worden war, und nicht wenige machte es unruhig, daß ihre Anführer offensichtlich in der Zeit ihres neu gewonnenen Wohlstands die Tuginda fallengelassen hatten. Es war bekannt, daß zwischen Shardiks Ankunft und der Schlacht im Vorgebirge zwei Priesterinnen getötet worden waren, und solange die Eroberung von Bekla noch durch die Unterwerfung der Provinzen gefestigt werden mußte, konnten die Barone ihren Gefolgsleuten sagen, daß sie die Tuginda gebeten hätten, im Interesse ihrer eigenen Sicherheit in Quiso zu bleiben. Viele hatten erwartet, daß Shardik, sobald er sich erholt hätte, wie vor langer Zeit nach Quiso gebracht werden sollte. Das war aber, seit Kelderek von Bekla ausgezogen war, um den Bären zu suchen, nie seine Absicht gewesen; denn wenn er mit Shardik zur Insel der Tuginda ging, mußte er auf seine Vorherrschaft als Priesterkönig verzichten und konnte auch ohne Shardiks persönliche Anwesenheit in Bekla nicht erwarten, dort zu herrschen. Als Shardik in Bekla war und die Nordprovinzen unterworfen waren, gab es keinen plausiblen Grund mehr für die Abwesenheit der Tuginda, es sei denn, sie weigere sich zu kommen; die Botinnen – von denen eine Neelith gewesen war – hatten Weisung erhalten, ihr gegenüber hervorzuheben, wie sehr das Vertrauen des Volkes und die Kampfkraft der Armee beeinträchtigt werden konnten, wenn sie Kelderek weiter seine hervorragende Fähigkeit, Shardiks Willen zu erraten, mißgönne und kleinlichen Groll zeige, indem sie in Quiso schmolle und dadurch dem Volk all das vorenthalte, was sie ihm bedeute.
»Und das können wir ihr jetzt mit Entschiedenheit erklären«, sagte Ged-la-Dan zu den anderen Mitgliedern des Baronrates, »denn, irren wir uns nicht, sie ist nicht mehr die Gestalt, die wir einst zur Zeit Bel-ka-Trazets fürchteten. Sie hatte unrecht hinsichtlich unseres Herrn Shardiks Willen, im Gegensatz zu Ta-Kominion und Kelderek, die recht hatten. Ihr Ansehen ist so groß und nicht größer, als wir bereit sind, ihr zuzuerkennen, und es wird der Nützlichkeit entsprechen, die sie für uns darstellt. Da aber viele aus unserem Volk ihr immer noch Ansehen zubilligen, wird es klug sein, unsere eigene Sicherheit zu erhöhen, indem wir sie hierherbringen. Ja, wenn sie nicht kommen will, werde ich sie selbst holen.«
Kelderek hatte nicht widersprochen, denn er war sicher, daß die Tuginda die ihr angebotene Wiedereinsetzung mit Freuden annehmen werde und daß er, wenn sie in Bekla war, ihr helfen könnte, ihre frühere Stellung in den Augen der Barone wiederzuerringen.
Die Boten kamen ohne Neelith zurück. Angeblich hatte sie auf Quiso ihre vorbereitete Rede plötzlich abgebrochen, war weinend zu Füßen der Tuginda auf die Knie gefallen, hatte um Verzeihung gefleht und leidenschaftlich versichert, sie werde sie nie wieder verlassen, solange sie lebe. Nachdem die Tuginda angehört hatte, was die übrigen ihr zu sagen hatten, erinnerte sie sie nur daran, daß sie als Gefangene nach Quiso zurückgeschickt worden war. Sie habe, sagte sie, nicht mehr Freiheit,
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