Shardik
Frauen hindurch, deren Broschen und Gürtelschnallen ihm die Haut zerkratzten. Ein Mann versuchte, ihm den Weg zu verstellen, und er schlug ihn mit einem Fausthieb nieder. Er schrie wieder: »Shardik! Aus dem Weg!«
»Halt! Komm zurück!« rief Zelda, der ihm nachlief und ihn festzuhalten versuchte. »Der Bär hat nur Angst vor dem Feuer, Kelderek! Der Lärm und der Rauchgeruch bringen ihn außer sich! Hör auf mit diesem Frevel! Haltet ihn auf!« schrie er einer Gruppe von Offizieren etwas weiter vorne zu.
Sie starrten unentschlossen, und Kelderek drängte sich durch sie hindurch, stolperte und stürzte, erhob sich und rannte wieder vorwärts; sein nasser Körper war von oben bis unten mit Schmutz, Blut und Blättern aus dem Garten beschmiert. Er rannte weiter, grotesk anzusehen, so schmutzig und würdelos wie ein armer Tropf, der in der Kaserne Zielscheibe des Spotts ist, von seinen flegelhaften Kameraden zu ihrem gemeinen Spaß entkleidet, geschlagen und gejagt; er achtete auf nichts anderes mehr als auf den Lärm aus der Halle, die nun vor ihm lag. Als er die Terrasse erreichte, auf die er am Vortag zu Zelda gekommen war, blieb er stehen und wandte sich an die hinter ihm Kommenden.
»Das Dach! Das Dach brennt! Steigt hinauf und löscht das Feuer!«
»Er ist nicht bei Trost!« rief Zelda. »Kelderek, du Narr, heute nacht brennt doch auf jedem Dach in Bekla ein Feuer, weißt du das nicht? Um Himmels willen – «
»Nicht dort oben! Glaubst du, ich weiß das nicht? Wo sind die Wachen? Schick sie hinauf – laß die Rückseite absuchen!«
Allein stürzte er durch den Südeingang, den Wandelgang entlang und in die Halle. Der Saal war schwach, nur von fünf oder sechs Fackeln beleuchtet, die an den verrauchten Wänden hingen. Neben den Käfigstangen in der Saalmitte lag Zilthe auf dem Bauch, ihr Kopf in einer Blutlache, die über die Steine sickerte. Vom Dach kam ein knisterndes Geräusch von brennendem Holz, und etwas Schweres bewegte sich und fiel mit berstendem Krachen um. Ein plötzlicher Flammenstoß kam und ging, Funken regneten nieder und erloschen.
Von einer Seite zur anderen schwankend wie eine Tanne, die von Holzfällern, um die Wurzeln zu lösen, geschüttelt wird, stand Shardik aufrecht am anderen Hallenende, schlug mit seinen riesigen Tatzen auf das verschlossene Tor und brüllte vor Wut und Angst, als das Feuer über ihm stärker brannte. In seinem Rücken klaffte eine Wunde von der Länge eines menschlichen Unterarms, und neben ihm lag ein blutiger Speer, der offensichtlich von einer der Rüstungen an der Wand losgerissen worden war und aus der Wunde gefallen sein mußte, als sich der Bär auf den Hinterbeinen aufrichtete.
Vor den Stangen, mit dem Rücken zu Kelderek, stand ein mit einem Bogen bewaffneter Mann. Er mußte auch den Bogen von der Wand genommen haben, denn an dessen beiden Enden hingen noch die Lederschlingen, mit denen er befestigt gewesen war. An der Bogensehne lag ein Pfeil mit schwerer Spitze, und der zweifellos mit der Waffe nicht vertraute Mann versuchte ungeschickt, sie zu spannen. Nackt und unbewaffnet wie er war, stürzte Kelderek vor. Der Mann drehte sich um, duckte schnell ab, zog seinen Dolch und stach Kelderek in die linke Schulter. Im nächsten Augenblick warf sich Kelderek auf ihn, biß, stieß und kratzte und warf ihn zu Boden. Er spürte die Wunden nicht, die ihm zugefügt wurden, auch nicht den Schmerz in seinen Daumen, die er, fast bis zum Zerbrechen, in die Kehle des Mannes bohrte, und schlug dessen Hinterkopf gegen den Fußboden. Er versenkte seine Zähne in ihn wie ein wildes Tier, ließ ihn einen Augenblick los, um ihn zu schlagen, faßte ihn wieder und schüttelte ihn, wie ein wilder Wachhund einen Räuber schüttelt, den er im Haus seines Herrn ertappt hat.
Als Zelda und seine Begleiter in die Halle kamen, trugen sie die Leiche eines Wachtpostens und brachten als Gefangenen Elleroth, den Statthalter von Sarkid und Abgesandten von Lapan, den sie überwältigt hatten, als er vom Dach herabgeklettert kam; sie fanden den König, von Kopf bis Fuß mit Blut und Schmutz bedeckt; er blutete aus mehreren Stichwunden und weinte, über die auf dem Boden liegende junge Priesterin gebeugt. Neben ihm lag die zerfetzte Leiche Mollos, des Abgesandten von Kabin, den der König mit bloßen Händen zerrissen und totgeschlagen hatte.
30. Elleroth wird verurteilt
Erleichtert wie ein Kind, wenn Licht in das dunkle Zimmer gebracht wird, wo es angstvoll gelegen hat,
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