Shardik
die Sorge überlassen, sie anzuordnen. Es wird alles leicht gehen, denn die ganze Stadt ist begierig, nur dir zu dienen und dir zu gehorchen. Man weiß, daß du allein unseres Herrn Shardiks Leben vor den Bösewichtern gerettet hast.«
Kelderek hob den Kopf und blickte ihn schweigend an.
»Gestern bei Morgengrauen«, fuhr Zelda fort, »traf ein Bote von der Armee aus Lapan in Bekla ein. Seine Nachricht lautete, daß Santil-ke-Erketlis, nachdem er eine Streitmacht aussandte, um unsere Aufmerksamkeit durch einen vorgeblichen Angriff westlich von Ikat abzulenken, uns selbst an der Ostflanke passiert hat und durch Toniida nach Norden marschiert.«
»Was hat er vor?«
»Das wissen wir nicht – vielleicht hat er noch keinen Plan, es sei denn, Unterstützung in den Ostprovinzen zu suchen. Wahrscheinlich wird er aber, je nach der Unterstützung, die er erhält, sein Ziel einrichten. Wir müssen ihm folgen und versuchen, ihn aufzuhalten, das ist sicher. Ein General wie Erketlis wird keinen Marsch beginnen, wenn er nicht sicher ist, etwas damit erreichen zu können. Ged-la-Dan hat gestern früh Bekla verlassen. Ich blieb hier, um noch drei Kompanien aufzustellen und zusätzlichen Nachschub zu besorgen – der Stadtgouverneur wird dir die Einzelheiten mitteilen. Ich muß nun fort und nehme jeden Mann mit, den ich noch gewaltsam anwerben konnte; sie erwarten mich auf dem Karawanenmarkt, und leider ist es ein armseliger Haufen.«
»Wohin marschiert ihr?«
»Durch Toniida nach Thettit. Unsere Armee verfolgt Erketlis nach Norden, ich muß also irgendwo zwischen hier und Thettit auf ihre Marschlinie treffen. Leider ist Erketlis ein so überraschender Zug gelungen – er muß ihnen fast zwei Tagesmärsche voraus sein.«
»Ich wünschte, ich könnte mit dir kommen.«
»Ich wünschte es auch. Walte Gott, daß unser Herr Shardik für eine neue Schlacht zu uns stoßen könnte! Ich sehe alles vor mir – Dunkelheit bricht ein, und Erketlis fällt unter einem Hieb seiner Tatze. Heile ihn, Kelderek, mach ihn wieder gesund, uns allen zuliebe! Ich werde dafür sorgen, daß du Nachricht erhältst – möglichst täglich.«
»Aber eines muß ich sofort erfahren. Was ist vor zwei Nächten vorgefallen? Es war doch Mollo von Kabin, nicht wahr, der unseren Herrn Shardik verwundete? Wer aber hat das Hallendach in Brand gesteckt? Und warum?«
»Das werde ich dir sagen«, antwortete Zelda, »und wir waren Narren, es nicht vorauszusehen. Es war Elleroth, der Statthalter von Sarkid; der Mann, der an uns vorbeikam, als wir damals oberhalb des Hakensees spazierengingen. Hättest du nicht so gehandelt und wärst aus dem Teich gesprungen, so wäre unser Herr Shardik durch die Hände dieses feinen Paares gestorben. Das Dach wäre auf ihn gestürzt und auf Zilthe, und beide Verräter wären entkommen.«
»Und Elleroth – ist auch er tot?«
»Nein – er wurde lebend gefangen, als er vom Dach herunterkam. Es wird deine Aufgabe sein, ihn hinrichten zu lassen.«
»Ihn hinrichten zu lassen? Ich?«
»Wer sonst? Du bist der König und Shardiks Priester.«
»Dafür habe ich nicht viel übrig, selbst wenn ich an das denke, was er zu tun versucht hat. Im Kampf zu töten und eine Hinrichtung, das sind zwei ganz verschiedene Dinge.«
»Hör mal, Kelderek, du Kinderspielfreund, wir können es uns nicht leisten, daß du zimperlich wirst. Der Mann hat einen ortelganischen Wachtposten ermordet und ein frevlerisches, unerhört sündhaftes Verbrechen versucht. Er muß natürlich vor deinen Augen und in Anwesenheit sämtlicher Barone und Provinzdelegierten in Bekla hingerichtet werden. Du mußt sogar verlangen, daß alle Ortelganer von Rang und Ansehen daran teilnehmen – es sind nur wenige in der Stadt geblieben, und die Ortelganer sollten mindestens dreimal so viele sein wie die Provinzdelegierten.«
Kelderek schwieg, blickte nach unten und zupfte an seiner Decke. Endlich fragte er, über seine Schwäche verlegen, zögernd: »Muß – muß er gefoltert werden? Verbrannt?«
Zelda wandte sich zum Fenster und blickte hinaus auf den Hakensee. Nach einer Weile sagte er: »Hier handelt es sich nicht darum, Gnade zu üben oder Rache zu nehmen, sondern bloß darum, aus politischen Gründen eine Wirkung zu erzielen. Die Menschen müssen den Mann sterben sehen und durch das, was geschieht, überzeugt werden, daß wir im Recht sind und er im Unrecht. Wenn ein Mann – sagen wir ein Räuber – hingerichtet werden soll, um die Armen und Unwissenden zu beeindrucken
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