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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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starrten und flüsterten.
    Der Offizier roch wie ein sauberer Fleischerladen – der Geruch des Fleischessers für jemanden, der keines ißt. Die Soldaten standen so mühelos dort wie Bäume im Frühling. Ihre Riemen waren geölt, ihre Rüstungen schimmerten, ihre Augen wanderten schnell hin und her, ihre ruhigen Stimmen verbanden sie wie Götter in ruhigem Einverständnis. Kelderek wandte sich an den Offizier.
    »Ich heiße Kelderek, der Kinderspielfreund«, sagte er stockend, »und mein Leben – mein Leben gehört bereits den Yeldashayern. Ich bin zu sterben bereit und bitte nur um die Erlaubnis, eine Botschaft nach Zeray zu senden.«
    »Was meinst du?« fragte der Offizier. »Warum sagst du, dein Leben sei verwirkt? Bist du der Sklavenhändler, der diese unsagbaren Verbrechen begangen hat? Wir fanden Kinder im Wald – krank – verhungert – sterbend, wenn ich mich nicht täusche. Ist das dein Werk?«
    »Nein«, sagte Kelderek. »Nein, ich bin kein Sklavenhändler. Der ist tot – durch Gottes Kraft.«
    »Wer bist du denn?«
    »Ich? Ich bin der Herrscher von Bekla.«
    »Crendrik, König von Bekla? Der Bärenpriester?«
    Kelderek nickte und legte die Hand auf den massigen, struppigen Pelz, der wie eine Wand vor ihm hochragte.
    »Der bin ich. Aber der Bär – der Bär wird euch nichts mehr zuleide tun. In Wirklichkeit war er es nie, der euch Kummer bereitete, sondern es waren irregeführte, sündige Menschen, und ich war der allerschlimmste. Sag deinen Soldaten, sie sollen den Toten nicht verhöhnen. Er war Gottes Kraft, die zu den Menschen kam und von Menschen mißbraucht wurde; und zu Gott ist er nun zurückgekehrt.«
    Befremdet und verwundert hielt es der Offizier für das beste, nicht weiter mit dieser blutenden, stinkenden Vogelscheuche zu sprechen, die da von Gott und ihrer Todesbereitschaft redete. Er wandte sich an seinen Treisatt, doch da zupfte eine andere Gestalt an seinem Arm, ein Junge mit verfilztem Haar und ausgemergeltem Körper, mit geschwärzten, gebrochenen Fingernägeln und einer Kette zwischen den Fußgelenken. Der Junge bückte zu ihm hoch und sagte im Befehlston in Yeldashay, seiner Muttersprache: »Du darfst diesem Mann nichts tun, Hauptmann. Wo immer mein Vater sein mag, schick bitte sofort jemanden zu ihm mit der Nachricht, daß du uns gefunden hast. Wir – «
    Er brach ab und wäre hingefallen, hätte ihn der Offizier, der nun völlig verwirrt war, nicht mit dem Arm um die Schultern genommen.
    »Ruhig, mein Junge, faß dich. Was soll das alles heißen? Wer ist dein Vater – und wer bist dann du?«
    »Ich – bin Radu, Sohn von Elleroth, dem Statthalter von Sarkid.«
    Der Offizier fuhr zusammen, und dabei entschlüpfte der Junge seinem Griff, fiel zu Boden, preßte seine Hände an den zerbrochenen Felsen und schluchzte: »Shara! Shara!«

Siebenter Teil • Die Kraft Gottes
    55.Tissarn
     
    Ein trockener Mund. Wasserglitzern unter einem Dach aus Schilf und Pfählen. Rotes, träges Abendlicht. Eine Art gewebter Decke, die sich am Körper rauh anfühlt. Ein leises, hartnäckiges Kratzgeräusch – eine Maus in der Nähe, ein Mensch weiter entfernt? Schmerzen, viele Schmerzen, nicht heftig, aber tief und beharrlich, der Körper durchdrungen von Schmerz, Finger, Ohr, Arm, Kopf, Magen, kurzer Atem vor Schmerz. Müde, eine Müdigkeit gegenüber Bewußtsein und Schmerzgefühl. Ausgeleert, ausgehungert, der Mund von Durst ausgetrocknet. Und dennoch Erleichterung, das Gefühl, in den Händen von Menschen zu sein, die nichts Böses im Sinn hatten. Wo er war, wußte er nicht, nur daß er nicht mehr bei Genshed war. Der war tot. Shardik hatte ihn vernichtet, und Shardik war tot.
    Die ihn umgaben, die – wer immer sie waren – sich die Mühe gemacht hatten, ihn in dieses Bett zu legen, würden sich wahrscheinlich damit begnügen, ihn vorläufig hier zu lassen. Weiter konnte er nicht denken, konnte nicht an die Zukunft denken. Wo immer er war, er mußte in den Händen der Männer aus Yeldashay sein. Radu hatte mit dem Offizier gesprochen. Vielleicht würden sie ihn nicht töten, nicht nur – und das war sehr unklar, eine Art kindlicher Intuition dessen, was möglich war und was nicht –, nicht nur weil Radu mit dem Offizier gesprochen hatte, sondern auch wegen seiner Not und Leiden. Er fühlte sich mit seinen Leiden verbunden, als verleihe ihm das eine Art Immunität. Was sie mit ihm tun würden, wußte er nicht, aber er war beinahe sicher, daß sie ihn nicht töten würden. Seine Gedanken

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