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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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verstanden.«
    »Sie sagte: ›Segne mich, junger Herr, und nimm meinen Segen zum Dank hin.‹«
     
    Er lag auf seinem Bett im oberen Zimmer und beobachtete die elastischen Spiegelbilder, die zwischen den Dachpfählen breiter wurden, verschmolzen und zusammenschrumpften. Melathys saß neben ihm und hielt seine gesunde Hand zwischen ihren. Er war wieder matt und fiebrig, zittrig und fröstelnd. Es gab nichts Bemerkenswertes mehr auf der Welt. Alles war leer und kalt, erstreckte sich fort zum Horizont und zum leeren Himmel.
    »Hoffentlich fandest du unseren Gesang nicht unangebracht, Herr«, sagte Tan-Rion. »Die Priesterin sagte, es wäre günstig, wenn wir etwas singen könnten, aber die Schwierigkeit bestand darin, etwas Passendes zu finden, das die Jungs singen konnten. ›Die Tränen‹ kennen sie natürlich alle.«
    Kelderek fand einige lobende Dankesworte, und bald darauf merkte ihm der Offizier die Erschöpfung an und verabschiedete sich. Dann kam Radu, vom Hals bis zu den Knöcheln in einen Mantel gehüllt, und setzte sich für eine Weile gegenüber Melathys nieder.
    »Ich höre, mein Vater ist auf dem Weg hierher«, sagte er. »Ich hatte gehofft, er würde noch vor der Bestattung hier sein. Wenn er es bloß gewußt hätte, wäre er gern heute nachmittag hier am Ufer gewesen.«
    Kelderek lächelte und nickte wie ein alter Mann, er begriff nur teilweise, was gesagt wurde. Aber Radu sagte eigentlich wenig, saß lange Minuten wortlos und biß sich einmal auf die Hand, um sein Zähneklappern zu unterdrücken. Kelderek verfiel in eine Art Halbschlaf und erwachte, als Radu gerade Melathys antwortete:
    »– aber sie werden sich erholen, glaube ich.« Und dann nach einer Pause: »Schreihals ist krank, weißt du – angeblich sehr krank.«
    »Schreihals?« fragte Melathys erstaunt.
    »Wirklich?« sagte Kelderek. »Ich habe ihn doch am Strand gesehen.«
    »Ja, ich glaube, er hielt es für klüger, dort zu sein – nicht daß es einen Unterschied macht –, aber es geht ihm heute schlecht. Ich glaube, es ist bei ihm hauptsächlich Angst. Er fürchtet sich, teils vor den anderen Kindern, aber auch vor den Dorfbewohnern. Die wissen, wer er ist – oder wer er war –, und wollen ihm nicht helfen. Er liegt allein in einem Schuppen, aber ich glaube, er würde, wenn er könnte, davonlaufen.«
    »Wer ist Schreihals?« fragte Melathys.
    »Werden sie ihn töten?« fragte Kelderek. Radu antwortete nicht gleich, und er drang weiter in ihn. »Was willst du mit ihm tun?«
    »Es hat noch niemand wirklich etwas gesagt; aber wozu sollte es gut sein, ihn zu töten?«
    »Ist das tatsächlich deine Ansicht – nach allem, was du gelitten hast?«
    »Jedenfalls glaube ich, daß es meine Ansicht sein sollte.« Er schwieg wieder eine Zeitlang, dann sagte er: »Dich wird keiner töten. Tan-Rion hat es mir gesagt.«
    »Ich – ich werde mit Schreihals sprechen«, sagte Kelderek und wollte sich erheben. »Wo ist der Schuppen?«
    »Bleib liegen, Liebster«, sagte Melathys. »Ich werde hingehen. Da mir niemand über ihn Auskunft gibt, muß ich Schreihals selbst aufsuchen – oder ihn anhören.«
     

57. Elleroths Tischgesellschaft
     
    Als er erwachte, saß sein Yeldashayer Soldat neben ihm und besserte im schwindenden Tageslicht ein Stück Leder aus. Als er sah, daß Kelderek wach war, nickte er grinsend, sagte aber nichts. Kelderek schlief wieder ein und wurde erst geweckt, als Melathys sich neben ihn legte.
    »Wenn ich mich nicht hinlege, falle ich um. Ich gehe bald zu Bett, aber es bedeutet mir so viel, wieder einmal ein wenig mit dir allein zu sein. Wie fühlst du dich?«
    »Leer – verzweifelt. Unser Herr Shardik – ich kann es nicht fassen.« Er brach ab, dann sagte er: »Du warst heute großartig. Die Tuginda hätte es nicht besser machen können.«
    »Doch, sie könnte es, und sie hätte es getan. Aber was geschah, war Bestimmung.«
    »Bestimmung?«
    »Ich glaube es. Noch habe ich dir etwas, das mir die Tuginda vor meinem Fortgehen sagte, nicht erzählt. Ich fragte sie, ob ich dir, wenn ich dich fände, eine Botschaft von ihr überbringen solle, und sie sagte: ›Er grämt sich über das, was er vor Jahren bei Monduntergang auf der Straße nach Gelt getan hat. Er war nicht imstande, um Vergebung zu bitten, obwohl er es wünscht. Sag ihm, ich verzeihe ihm aus eigenem Antrieb.‹ Und dann sagte sie: ›Auch ich bin schuldig – des Hochmuts und der Dummheit.‹ Ich fragte: ›Wieso, Saiyett? Wie ist das möglich?‹ – ›Nun, du

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