Shardik
aber weil das Wild scheu und er selbst nervös und erregt war. Er hatte mit dem Bogen Schwierigkeiten und verfehlte mehrmals ein leichtes Ziel. Erst am späten Nachmittag kam er mit zwei Paar Enten und einem Paka zurück – eine normalerweise für ihn armselige Beute, für die er sich aber sehr angestrengt hatte.
Die Mädchen hatten außerhalb der Grube, auf der windstillen Seite, ein Feuer angezündet. Drei oder vier brachten Holz herbei, während die anderen aus mit Ranken verbundenen Zweigen Schutzdächer anfertigten. Melathys saß mit Mörser und Stößel am Feuer und zerklopfte ein aromatisches Kraut. Er gab Neelith, die auf einem heißen Stein etwas buk, die Enten und legte den Paka beiseite, um ihn selbst auszunehmen und abzuhäuten. Zuerst aber ging er zu der Grube hinüber.
Der Bär lag noch zwischen den roten Trepsisblüten, wirkte aber schon weniger elend und bedauernswert. Seine großen Wunden waren mit einer gelben Salbe behandelt worden. Ein Mädchen verscheuchte die Fliegen mit einem Farnfächer von seinen Augen und Ohren, ein anderes bestrich seinen Rücken und seine Flanke, auf der er lag, soweit sie herankam. Zwei andere hatten Sand gebracht, um damit die verunreinigten Stellen am Boden, die sie schon gesäubert und mit spitzen Stöcken umgehackt hatten, zu bedecken. Die Tuginda hielt, wie er es getan hatte, ein feuchtes Tuch an das Maul des Bären, das sie aber nicht im Teich, sondern in dem zu ihren Füßen stehenden Wassereimer benetzte. Das gemächliche Verhalten der Mädchen stand in seltsamem Gegensatz zu der ungeheuren Gestalt des schrecklichen Geschöpfes, das sie betreuten. Kelderek sah, wie sie bei ihrer Arbeit innehielten, als der Bär sich unruhig bewegte. Sein Maul stand offen, und ein Hinterbein schlug schwach in die Luft, ehe es wieder zwischen den Trepsis zur Ruhe kam. Kelderek erinnerte sich an die Worte des Barons und dachte zum erstenmal: »Was aber wird geschehen, wenn es uns gelingt, ihn zu heilen?«
11. Die Erzählung Bel-ka-Trazets
Bei seinem jähen Erwachen erblickte Kelderek zuerst die Sterne und dann eine schwarze, struppige Gestalt, die sich gegen den Himmel abhob. Über ihn gebeugt stand ein Mann. Kelderek erhob sich schnell auf einen Arm.
»Endlich!« sagte Bel-ka-Trazet und stieß ihm nochmals den Fuß in die Rippen. »Nun, ich möchte sagen, du wirst bald besser schlafen.«
Kelderek erhob sich mühsam. »Ja, Herr?« Nun gewahrte er eines der Mädchen, das mit dem Bogen in der Hand hinter dem Baron stand.
»Du hast die erste Wache übernommen, Kelderek«, sagte Bel-ka-Trazet. »Wer hatte die zweite?«
»Die Priesterin Melathys, Herr. Ich weckte sie, wie mir aufgetragen worden war.«
»Welchen Eindruck machte sie auf dich? Was sagte sie?«
»Nichts, Herr; das heißt, nichts, woran ich mich erinnern kann. Sie schien – ebenso wie gestern; ich glaube, sie hatte vielleicht Angst.«
Bel-ka-Trazet nickte. »Die dritte Wache ist schon vorüber.«
Kelderek blickte wieder zu den Sternen empor. »Das sehe ich, Herr.«
»Dieses Mädchen erwachte von selbst und wollte ihre Wache antreten, fand aber sonst niemanden vor als die beiden Mädchen bei dem Bären. Das Mädchen, das vor ihr Wache halten sollte, war nicht geweckt worden, und die Priesterin ist nirgends zu finden.«
Kelderek kratzte einen Insektenbiß an seinem Arm und sagte nichts.
»Nun?« knurrte der Baron. »Soll ich hier stehen und zusehen, während du dich kratzt wie ein räudiger Affe?«
»Vielleicht sollten wir zum Fluß hinuntergehen, Herr?«
»Daran habe ich auch gedacht«, antwortete der Baron. Er wandte sich an das Mädchen. »Wo habt ihr gestern nachmittag die Kanus gelassen?«
»Nachdem wir sie ausgeladen hatten, Herr, zogen wir sie aus dem Wasser und legten sie unter in der Nähe stehende Bäume.«
»Du brauchst deine Herrin nicht zu wecken«, sagte Bel-ka-Trazet. »Übernimm jetzt deine Wache und warte auf unsere Rückkehr.«
»Sollten wir uns nicht bewaffnen, Herr?« fragte Kelderek. »Soll ich einen Bogen holen?«
»Dies hier wird genügen«, sagte der Baron, zog dem Mädchen das Messer aus dem Gürtel und machte sich im Sternenlicht auf den Weg.
Der Weg zum Fluß war leicht zu finden, sie folgten dem Lauf des Baches über die trockene, offene Wiese. Bel-ka-Trazet stützte sich beim Gehen auf einen langen Stecken, den er, wie Kelderek sich erinnerte, am Abend vorher zugeschnitten hatte. Bald konnten sie die nächtliche Brise leise im Schilf pfeifen hören. Der Baron blieb
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