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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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stehen und sah sich um. In Wassernähe wuchs das Gras lang, und die Mädchen hatten, als sie die Kanus hindurchzogen, einen Pfad ausgetreten. Diesem folgten Bel-ka-Trazet und Kelderek vom Ufer bis zu den Bäumen. Sie fanden nur drei Kanus, alle sorgfältig abgestellt und von niedrigen Zweigen bedeckt. Nebenan führte eine einzige Furche durch das Gras zum Fluß zurück. Kelderek hockte sich darüber hin. Die aufgerissene Erde und das zerquetschte Gras rochen frisch, und einige Pflanzen bewegten sich noch langsam, indem sie ihre flachgedrückten Blätter wieder aufrichteten.
    Bel-ka-Trazet stützte sich wie ein Ziegenhirt auf seinen Stock und bückte über den Fluß hinaus. Die Brise brachte einen Aschengeruch, aber es war nichts zu sehen.
    »Dieses Mädchen war vernünftig«, sagte er schließlich. »Sie wollte mit dem Bären nichts zu tun haben.«
    Kelderek, der bis zuletzt gehofft hatte, sich vielleicht doch geirrt zu haben, war nun bitter enttäuscht; es war wie die Qual eines Menschen, der beraubt wurde und nun überlegt, wie leicht alles hätte vermieden werden können, und er hatte das Gefühl, persönlich verraten worden zu sein durch jemanden, den er bewunderte und verehrte – allerdings war er klug genug, dies dem Baron gegenüber nicht zum Ausdruck zu bringen. Warum hatte Melathys ihn nicht gebeten, ihr zu helfen? Sie war so gewesen, dachte er traurig, wie eine schöne, mit Einlegearbeiten und Juwelen verzierte Paradewaffe, die sich als wenig ausgewogen und stumpf erwies.
    »Aber wo ist sie hingefahren, Herr? Zurück nach Quiso?«
    »Nein, und auch nach Ortelga nicht, denn sie weiß, dort würde man sie töten. Wir werden sie nie wiedersehen. Sie wird in Zeray landen. Schade, denn sie hätte besser als ich die Mädchen überreden können heimzufahren. Wie die Dinge liegen, haben wir bloß ein Kanu verloren – und noch ein paar Dinge, würde ich sagen.«
    Sie machten sich, den Bach entlang, auf den Rückweg. Der Baron ging langsam, immer wieder den Stock ins Gras stechend, wie jemand, der über etwas nachdenkt. Nach einiger Zeit sagte er: »Kelderek, du hast mich beobachtet, als ich gestern zum erstenmal in die Grube hinunterblickte. Wahrscheinlich hast du gesehen, daß ich mich fürchtete.«
    Kelderek dachte: »Will er mich töten?« Er antwortete: »Als ich den Bären zum erstenmal sah, Herr, warf ich mich zu Boden aus Angst.«
    Bel-ka-Trazet winkte ihm, Schweigen gebietend.
    »Ich hatte Angst und habe auch jetzt Angst. Ja, Angst um mein Leben – vielleicht ist Totsein gar nichts, doch wer findet Gefallen am Sterben? –, aber auch Angst um die Menschen, denn es wird viele Narren geben wie du; und auch vielleicht so närrische Weiber wie die dort oben«, und er hob seine Stockspitze in Richtung des Lagers.
    Nach einer Weile fragte er plötzlich: »Weißt du, wie ich zu meinem hübschen Äußeren kam?« Und dann, als Kelderek nichts erwiderte: »Also, weißt du es oder nicht?«
    »Eure Verunstaltung, Herr? Nein – wie könnte ich?«
    »Wie soll ich wissen, was für Geschichten in den Schenken Ortelgas erzählt werden?«
    »In denen verkehre ich nicht, Herr, wie Euch bekannt ist, und wenn darüber gesprochen wird, habe ich es nie gehört.«
    »Du sollst es jetzt hören. Vor langer Zeit, als ich kaum mehr als ein Junge war, begleitete ich die ortelganischen Jäger – mal den einen, mal den anderen, denn mein Vater war mächtig und konnte von ihnen verlangen, daß sie mich mitnahmen. Er wollte, ich solle lernen, was junge Burschen durch die Jagd lernen können, und auch, was Jäger sie lehren können; und ich war aus eigenem Antrieb durchaus bereit zu lernen. Ich reiste weit fort von Ortelga, überquerte die Gelter Berge und jagte auf den Ebenen südwestlich von Kabin den Langhornbock. Ich kam bis Deelguy und stand zwei Stunden bis zum Hals im See von Klamsid, um bei Morgengrauen die Goldreiher mit dem Netz zu fangen.«
    Sie waren am unteren Ende des Teichs angekommen, in den sich der Bach mit einem mannshohen Fall ergoß. Zu beiden Seiten verlief eine steile Böschung, und neben dem Teich streckte ein Melikon seine hübschen, mit saftigen Blättern bewachsenen Äste über das Wasser. Es ist der Baum, den die Bauern »Falsche Liebste« nennen. Die leuchtenden, hübschen Beeren, welche auf die Blüten folgen, sind ungenießbar und wertlos, aber gegen Ende des Sommers verwandelt sich ihre Farbe in ein blitzendes, pulverartiges Gold, und sie fallen von selbst bei völliger Windstille ab. Bel-ka-Trazet

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