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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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in seinem Griff. Dann ließ er sie fallen, schlaff wie ein altes, von der Wäscheleine gefallenes Kleid, und stolperte zu dem offenen Abhang unter den Bäumen hinaus. Er wälzte sich auf dem Boden, Schaum trat ihm aus dem Maul, und er biß und schlug auf das Gras.
    Sheldra war als erste bei der Priesterin. Deren linke Hand war durch ihr eigenes Messer verletzt worden, die Zunge hing ihr aus dem Mund, und ihr Kopf lag grotesk auf ihrer Schulter wie der eines Gehängten. Als Sheldra einen Arm unter sie schob, um sie hochzuheben, drang ein furchtbares Knirschen aus dem zermalmten Körper. Das Mädchen legte sie wieder hin, und Rantzay schlug für einen Moment die Augen auf.
    »Sag der Tuginda – getan, wie sie befohlen – «
    Ein Blutstrom kam aus ihrem Mund, und als er versiegt war, bebte ihr hagerer, knochiger Körper ganz leise, wie die Oberfläche einer Pfütze, in die eine Fliege gefallen ist. Die Bewegung endete, und da Sheldra erkannte, daß Rantzay tot war, zog sie ihr die Holzringe von den Fingern, nahm die Theltocarna-Schachtel und das Messer an sich und begab sich zu dem Abhang, wo Shardik bewußtlos lag.
     

19. Nächtliche Boten
     
    Es hatte den ganzen Tag gedauert, bis der Käfig fertig war – sofern er tatsächlich fertig war. Als Balthis, der Schmiedemeister, Keldereks Befehle hörte, zog er die Schultern hoch und beachtete sie nicht, denn er hatte gehört, Kelderek sei ein junger Bursche ohne Familie, Reichtum oder Handwerk – in seinen Augen waren Jäger keine Handwerker. Er und seine Leute besaßen vortreffliche, von ihnen selbst verfertigte Waffen und hatten angenommen, sie würden Gelegenheit haben, bei der Plünderung von Bekla – oder zumindest von Gelt – ihre Rolle zu spielen; sie nahmen es nun übel auf, daß sie aus der Kolonne gezogen und zu ihrer gewohnten Arbeit beordert wurden. Kelderek hatte vergeblich versucht, dem großen, schwerfälligen Burschen klarzumachen, welch entscheidende Bedeutung seiner Arbeit zukam, und ging zurück zu Ta-Kominion, den er in dem Augenblick traf, als er sich mit der Vorhut auf den Weg machen wollte. Ta-Kominion fluchte ungeduldig, rief Balthis zu sich unter den Baum, an dem Fassel-Hastas Leiche hing, und versprach ihm, falls der Käfig bei Einbruch der Nacht nicht fertig wäre, würde er hängen wie der Baron. Das waren Worte, die Balthis deutlich genug verstand, und er verlangte sofort doppelt so viele Männer, als er bekommen sollte. Ta-Kominion hatte es zu eilig, um zu streiten, und bewilligte ihm fünfzig Mann, darunter zwei Seiler, drei Wagner und fünf Zimmerleute. Als das Heer sich in der bereits schwülheißen Morgenluft durch das Tal voranbewegte, machten sich Kelderek und Balthis an die Arbeit.
    Es wurden Boten nach Ortelga gesandt, und schon vor 12 Uhr war alles auf der Insel vorrätige Brennholz, ein großer Teil des Schnittholzes und alles Schmiedeeisen von Knaben und Frauen zum Lager gebracht worden. Die Eisenstücke waren verschieden lang und dick, viele waren so kurz, daß sie nur zum Schweißen verwendet werden konnten. Balthis ließ von seinen Männern drei Achsen und möglichst viele Eisenstangen von gleicher Länge und Dicke herstellen, die an den Enden zugespitzt und durchbohrt waren. Inzwischen bauten die Zimmerleute und Wagner aus abgelagerten Holzstücken, von denen manche noch bis zum Morgen Teile der Wände, Dächer und Tische in Ortelga gewesen waren, eine starke Plattform aus abgestützten Planken, die sie mühsam hochhebelten und auf sechs speichenlose, bis zu den Felgen volle Räder montierten.
    Bis zum Abend hatten Balthis’ Männer sechzig Stangen geschmiedet, geschweißt oder geschnitten – ungleiche Dinger mit rohen Kanten, die aber brauchbar genug waren, um mit der Spitze voran durch die rund um die Plattformränder gebohrten Löcher getrieben und dann mit Eisenbolzen befestigt zu werden.
    »Auch das Dach muß aus Holz gefertigt werden«, sagte Balthis, der auf die aus den Planken hochragenden Stangen blickte, die wie Schilfrohr dahin und dorthin gerichtet waren. »Es gibt kein Eisen mehr, junger Mann, und es läßt sich keines auftreiben, es ist also zwecklos, sich darüber zu erregen.«
    »Ein Holzdach wird auseinanderfallen«, sagte der Zimmermann. »Es wird dem Bären nicht standhalten, wenn der darauf ausgeht, es zu zerschlagen.«
    »Das ist keine Arbeit für einen Tag«, brummte Balthis. »Nein, nicht einmal für drei Tage. Ein Käfig, der dem Bären widerstehen soll? Gestern früh war ich der erste, der

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