Sharon: die Frau, die zweimal starb
großen Boss wollen - freundliche, kleine Plauderei über das Aussetzen von Kindern, Erpressung, Erbschaftsansprüche, mehrfachen Mord.« Ich warf die Hände hoch und ging mir selbst ein Bier holen.
»Sei nicht sauer«, rief er mir nach. »Ich versuche nicht, deine Gangsterparade anzupinkeln, bin nur bemüht, der Logik zu ihrem Recht zu verhelfen.«
»Ich weiß, ich weiß. Es ist nur verdammt frustrierend.«
»Wie sie gestorben ist, oder was sie getan hat, als sie noch lebte?«
»Beides, Sergeant Freud.«
Er zeichnete mit dem Finger ein lachendes Gesicht in den Frosthauch an seinem Glas.
»Noch etwas anderes. Das Foto mit den Zwillingen - wie alt waren die Mädchen darauf?«
»Etwa drei.«
»Also können sie nicht von Geburt an getrennt gewesen sein, Alex. Entweder hat sich jemand anderer um die beiden gekümmert, oder man hat sie beide den Ransoms gegeben. Also, was, zum Teufel, ist mit der Schwester passiert?«
»Helen Leidecker hat nie erwähnt, dass ein zweites Mädchen in Willow Glen gelebt hätte.«
»Hast du sie gefragt?«
»Nein.«
»Hast du nicht das Foto erwähnt?«
»Nein, sie schien …«
»Ehrlich?«
»Nein. Es kam einfach nicht zur Sprache.«
Er schwieg.
»Okay«, sagte ich. »Drei Minuspunkte für mich in Verhörtechnik für Anfänger.«
»Langsam«, entgegnete er. »Ich versuche nur, ein klares Bild zu bekommen.«
»Wenn du’s schaffst, teile es mir mit. Verdammt, Milo, vielleicht war das Bild gar nicht von Sharon und ihrer Schwester. Ich weiß zum Teufel nicht mehr, was wirklich war.«
Er ließ mich schmoren, dann sagte er: »Vorzuschlagen, du sollst alles sein lassen, wäre dumm, nehme ich an.«
Ich antwortete nicht.
»Bevor du dich der Selbstverachtung hingibst, Alex, warum rufst du nicht Mrs. Leidecker an? Frag sie nach dem Foto, und wenn du eine seltsame Reaktion bekommst, dann weißt du, dass sie nicht die ehrliche Haut ist. Was heißen würde, noch mehr Vertuschung - zum Beispiel: Der Zwilling kam unter mysteriösen Umständen zu Schaden, und sie versucht, jemanden zu decken.«
»Wen? Die Ransoms? Ich sehe sie nicht als Kindesmisshandler.«
»Nicht Misshandler - Vernachlässiger. Du selbst hast gesagt, dass sie keine Eltern waren, kaum mit einem Kind allein umgehen konnten. Zwei wären unmöglich gewesen. Was war, wenn sie ihnen im falschen Augenblick den Rücken zugekehrt hatten und eins von den Zwillingsmädchen einen Unfall hatte?«
»Und ertrank, zum Beispiel.«
»Zum Beispiel.«
In meinem Kopf drehte es sich. Ich hatte mir die ganze Nacht den Kopf zerbrochen, wusste noch immer nicht weiter …
Milo beugte sich über mich und klopfte mir auf die Schulter. »Sei nicht sauer. Selbst wenn wir’s bei Gericht nicht loswerden, beim Film nehmen sie’s uns immer noch ab. Dann zeigen wir Dickie Cash mal, wie man’s macht.«
»Ruf meinen Agenten an«, sagte ich.
»Lass deine Leute meine Leute anrufen, und nehmen wir uns eine Vollkornsemmel.«
Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Hast du schon die Geburten in Port Wallace überprüft?«
»Noch nicht. Wenn du recht hast damit, dass die Lanier nach Haus gefahren ist, um ihr Baby zu kriegen, wäre ihre Heimatstadt der sicherste Ort - angenommen, sie hat Thomas Wolfe nicht gelesen. Wie wär’s, wenn du mal da unten anrufst und zusiehst, was du herausbekommen kannst? Fang mit der Handelskammer an und finde die Namen aller Krankenhäuser heraus, die dort 1953 im Geschäft waren. Wenn du Glück hast und sie bewahren ihre Akten auf, holst du es mit ein paar Lügen aus ihnen heraus - sag, du bist irgendein Bürokrat. Sie werden alles tun, um dich loszuwerden. Wenn’s nicht klappt, versuchst du es beim Registrator des County«
»Ruf Helen an, ruf Port Wallace an. Noch irgendwelche Aufträge, Sir?«
»Hey, du willst Spürhund spielen, dann musst du auch an langweiligen Arbeiten Geschmack finden.«
»Auf Nummer sicher gehen?«
Er sah mich finster an. »Verdammt richtig , Alex. Denk mal dran, wie die Kruses und das Escobar-Mädchen aussahen. Und wie schnell die Fontaines ins Kokosland verduftet sind. Wenn du auch nur mit einem Zehntel recht hast, handelt es sich hier um Leute mit sehr langen Armen.«
Er bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis und ließ den Finger los, als ob er ein Staubkorn wegschnippte. »Puff. Das Leben ist eine zerbrechliche Angelegenheit - wie ich im College im Philosophiekurs gehört habe. Bleib zu Hause; halte die Türen verschlossen. Nimm keine Süßigkeiten von fremden Leuten an.«
Er
Weitere Kostenlose Bücher