Sharon: die Frau, die zweimal starb
fand sich in der Ausgabe vom 1. Juni 1954. Er war im August des Jahres davor im Alter von fünfundvierzig Jahren aus nicht erklärtem Grund während eines Urlaubs in Mexiko verstorben.
Im selben Monat und im selben Jahr wie Linda Lanier und Bruder Cable.
Die Wirkungen der gonadotropen Hormone …
Seiner Zeit weit voraus.
Die Puzzlestücke fügten sich zusammen. Ein neuer Gesichtspunkt vis-a-vis einem alten Problem - unwahrscheinlich, aber er erklärte so viele andere Dinge.
Ich dachte an noch etwas - ein Puzzlestück, das seinen Ort suchte, eine Frage, die nach einer Lösung schrie. Verließ BioMed und lief zur Nordseite des Campus. Rannte, fühlte mich leichtfüßig, zum ersten Mal nach langer Zeit.
Der Raum mit den Spezialsammlungen befand sich im Kellergeschoss der Forschungsbibliothek, eine stille Halle unten, die zufällige Besucher abschreckte. Eher klein, kühl, Feuchtigkeitskontrolle, ausgestattet mit dunklen, eichenen Lesetischen, die zu der hohen Täfelung an den Wänden passten. Ich zeigte meine Fakultätskarte und meinen Bestellzettel dem Bibliothekar. Er ging los, um die Sachen zu suchen, kam bald mit allem, was ich wollte, wieder, gab mir zwei Bleistifte, einen Block mit liniertem Papier und kehrte zu seiner Lektüre, einem Chemiebuch, zurück.
Es hockten noch zwei Leute zum ersten Studium da: eine Frau in einem Batikkleid, die mit einer Lupe eine alte Landkarte betrachtete, und ein dicker Mann in blauem Blazer, grauen Hosen und einem Halstuch à la Ascot, der abwechselnd einen Folianten mit Audubons Vogelbildern betrachtete und einen Laptop-Computer zu Rate zog.
Im Vergleich war mein eigenes Lesematerial wenig beeindruckend. Ein Stapel kleiner, unscheinbarer, in blaues Leinen gebundener Bücher. Eine Menge an Daten und Fakten über die prominenten Leute von L.A. Dünnes Papier und kleiner Druck. Präzis geordnete Listen von Country-Klubs, Wohltätigkeitsorganisationen, Stiftungen und genealogischen Gesellschaften, aber hauptsächlich eine Namensliste der wichtigen Leute: Adressen, Telefonnummern, Einzelheiten über Vorfahren. Selbstbeglückwünschung derer, bei denen die Faszination vom Wir-gegen-sie-Spiel mit dem Abschluss der Highschool nicht geendet hatte.
Ich fand bald genug von dem, was ich suchte, schrieb Namen ab, verband die Punkte miteinander, bis die Wahrheit oder etwas, was ihr verdammt nahe kam, Gestalt anzunehmen begann.
Näher und näher. Aber immer noch Theorie.
Ich verließ den Raum, fand ein Telefon. Bei Helen Leidecker nahm noch immer niemand ab. Aber eine schläfrige Männerstimme antwortete in Port Wallace, Texas.
»Brotherton’s.«
»Ist dort das Postamt?«
»Postamt, Angelzeug, eingelegte Eier, eisgekühltes Bier. Sagen Sie, was Sie wollen, wir haben es.«
»Hier ist Baxter, Bureau of Records, Staat Kalifornien, Amt Los Angeles.«
»L.A.? Wie sieht’s jetzt nach dem Erdbeben bei euch aus?«
»Wacklig.«
Phlegmatisches Lachen. »Was kann ich für Sie alle tun, Kalifornien?«
»Wir haben eine Bewerbung von jemandem für einen gewissen Job im Staatsdienst vorliegen, es handelt sich um eine Position, die eine eingehende Überprüfung der Person nötig macht, die sich um diese Stellung bemüht - einschließlich Staatsbürgerschaft und Geburtsurkunde. Die betreffende Person hat ihre Geburtsurkunde verloren und behauptet, sie wäre in Port Wallace geboren.«
»Überprüfung, hä? Klingt ziemlich nach verdeckter Aktion.«
»Tut mir leid, Mr. Brotherton -«
»Deeb. Lyle Deeb. Brotherton ist tot.« Kichern. »Hat seinen Stall hier auf mich abgeladen, weil er seine Pokerschulden nicht bezahlen konnte, drei Monate bevor er verschied. Hat zuletzt gelacht.«
»Ich darf Ihnen nicht mehr über die Einzelheiten der Position verraten, Mr. Deeb.«
»Kein Problem, Kollege, helfe auch Beamten gern, nur kann ich’s nicht. Weil wir keine Geburtsurkunden in Port Wallace haben - hier gibt’s nicht viel außer Garnelenbooten, schwarzen Stechfliegen und illegalen mexikanischen Einwanderern, und der Zoll versucht sie flussauf, flussab am Arsch zu packen. Die Urkunden sind in San Antonio - am besten prüfen Sie da mal nach.«
»Wie sieht’s mit Krankenhäusern aus?«
»Nur eins, Kollege. Wir sind hier nicht in Houston. Kleines Haus von den baptistischen Heilpraktikern - bin nicht mal sicher, ob sie legal sind. Die bedienen hauptsächlich die Mexikaner.«
»Waren die schon 1953 da?«
»Ja, klar.«
»Dann versuche ich es dort zuerst. Haben Sie die Nummer?«
»Klar.« Er
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