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Sharon: die Frau, die zweimal starb

Sharon: die Frau, die zweimal starb

Titel: Sharon: die Frau, die zweimal starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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beiden es schaffen würden?«
    »Ja, das tat ich! Natürlich tat ich das. Wofür halten Sie mich! Sie gedieh prächtig. Es war das Beste für sie.«
    Majonäse aus dem Glas. Wachspapierfenster. Ich sagte: »Bis letzte Woche.«
    »Wie? Ich weiß nichts.«
    »Nein, ich bin sicher, dass Sie nichts wissen. Kehren wir zu Sherry zurück. Zu ihrem Sozialverhalten - wie kam sie in der Schule zurecht?«
    »Sie besuchte zehn Schulen in drei Jahren. Danach nahmen wir Hauslehrer.«
    »Wann haben Sie sie zum ersten Mal zu Kruse gebracht?«
    Sie sah hinab auf das leere Glas. Ich gestand ihr noch zweieinhalb Zentimeter zu. Sie putzte es weg. Ich fragte: »Wie alt war sie, als er sie zu behandeln anfing?«
    »Zehn.«
    »Warum haben Sie nicht schon früher Hilfe gesucht?«
    »Ich dachte, ich könnte es selbst schaffen.«
    »Wieso haben Sie es sich anders überlegt?«
    »Sie … hat einem anderen Kind wehgetan, bei einer Geburtstagsparty.«
    »Wie wehgetan?«
    »Warum müssen Sie das wissen? Oh, also gut, was spielt es für eine Rolle! Ich habe Ihnen ja ohnehin schon fast alles gesagt … Sie spielten Blindekuh. Sherry konnte niemanden finden und wurde wütend. Riss sich die Augenbinde ab und stach einem kleinen Jungen mit einer Nadel in den Po - dem Geburtstagskind. Der Junge war ein verzogener Balg; die Eltern, Neureiche, Aufsteiger, völlig ohne eine Verhältnismäßigkeit der Mittel. Sie machten aus einer Mücke einen Elefanten, drohten die Polizei zu rufen, wenn ich sie nicht zu jemandem brächte.«
    »Wie kamen Sie auf Kruse?«
    »Ich kannte ihn gesellschaftlich. Meine Familie kannte seine Familie seit Generationen. Er hatte ein hübsches Haus nicht weit von meinem mit einer schönen Praxis im Erdgeschoss. Komplett mit eigenem Eingang. Ich hielt ihn für diskret.«
    Sie lachte. Ein betrunkenes, schrilles Lachen. »Das war ziemlich … naiv, nicht wahr?«
    »Erzählen Sie mir von der Behandlung.«
    »Vier Sitzungen die Woche. Hundertfünfundzwanzig Dollar die Sitzung. Zahlbar für zehn Sitzungen im Voraus.«
    »Welche Diagnose hat er Ihnen genannt?«
    »Er hat mir nie eine genannt.«
    »Welche Behandlungsziele hatte er? Welche Methoden?«
    »Nein, nichts dergleichen. Alles, was er sagte, war, sie hätte ernsthafte Probleme - Charakterprobleme - und brauchte eine intensive Therapie. Als ich ihm Fragen stellte, erklärte er mehr als deutlich, dass alles, was zwischen ihnen geschah, vertraulich war. Ich durfte überhaupt nichts damit zu tun haben. Es gefiel mir nicht, aber er war der Psychologe. Ich nahm an, er wüsste, was er tat. Ich habe mich völlig herausgehalten, ließ sie von Ramey zu ihren Terminen hinfahren.«
    »Hat Kruse ihr helfen können?«
    »Am Anfang. Sie kam von ihm nach Hause und war still - fast zu still.«
    »Was meinen Sie?«
    »Schläfrig. Müde. Ich weiß jetzt, dass er sie hypnotisiert hat. Aber was für Vorteile das auch bringen mochte, es hielt nicht an. Innerhalb von ein oder zwei Stunden war sie wieder dieselbe alte Sherry«
    »Das heißt?«
    »Trotz und Schimpfwörter. Diese furchtbaren Wutanfälle - immer noch machte sie mir Sachen kaputt. Außer wenn sie etwas wollte - dann konnte sie das charmanteste kleine Püppchen auf der Welt sein. Süß wie Zucker, eine richtige Schauspielerin. Sie wusste, wie sie die Leute herumkriegen konnte, damit sie ihr ihre Wünsche erfüllten. Er brachte ihr bei, wie sie das noch besser tun konnte. Die ganze Zeit, während ich dachte, er hülfe ihr, brachte er ihr bei, wie man die Menschen manipuliert.«
    »Haben Sie ihm je von Sharon erzählt?«
    »Er wollte nicht, dass ich ihm irgendwas sagte.«
    »Wenn er es gewollt hätte, hätten Sie es ihm dann erzählt?«
    »Nein. Das war … vorbei.«
    »Aber schließlich haben Sie es ihm erzählt.«
    »Erst später.«
    »Wie viel später?«
    »Jahre. Sie war ein Teenager - vierzehn oder fünfzehn. Er überraschte mich spätabends mit einem Anruf. Das machte er gern. Auf einmal wollte er seine Methode völlig ändern. Nun war es unbedingt erforderlich, dass ich mich beteiligte. Dass ich mit hinzukäme, um mich bewerten und analysieren zu lassen. Fünf Jahre ohne Erfolg, und nun wollte er mich auf der Couch haben! Ich weigerte mich - inzwischen hatte ich begriffen, dass es sinnlos war, ihre Persönlichkeit würde sich nicht ändern. Sie war eine Gefangene ihrer … Gene. Aber er gab nicht nach, rief mich an, hämmerte auf mich ein. Kam vorbei zum Plaudern, wenn ich Gäste hatte. Zog mich beiseite bei Partys und sagte mir, sie und

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