Sharon: die Frau, die zweimal starb
Privatpatientin, aber wenn du die Einzelheiten kennst, wirst du, glaube ich, zustimmen, dass es wichtig ist, sie zu behandeln.«
»Erzähl mir.«
Als ich durch war, sagte sie: »Wie schrecklich. Du hast recht getan, mich anzurufen, Alex. Ich kann bleiben und sie um sieben bei mir empfangen. Kann sie es bis dann hierher schaffen?«
»Ich werde sehen, dass sie es schafft. Vielen Dank, Ada.«
»Keine Ursache, Alex. Auf mich wartet ein Patient, also darf ich nicht trödeln.«
»Ich verstehe. Nochmals vielen Dank.«
Ich ging zurück zu dem Privatbüro und gab Carmen die Nummer. »Es ist alles arrangiert«, sagte ich. »Frau Dr. Small erwartet Sie um sieben heute Abend.«
»Okay.«
Ich drückte ihr die Hand und ging, traf Leslie zwischen den Untersuchungszimmern und sagte ihr, was ich arrangiert hatte.
»Was haben Sie von ihr für einen Eindruck?«
»Ziemlich zerbrechlich und immer noch unter dem betäubenden Schock. Die nächsten Tage können schlimm werden. Sie hat niemanden, der sie unterstützt. Es ist wichtig für sie, dass sie zu jemandem geht.«
»Klingt logisch. Wo ist die Praxis dieser Therapeutin?«
»Brentwood. San Vincente, nah Barrington.« Ich gab ihr die Adresse und den Termin.
»Wunderbar. Ich wohne in Santa Monica. Ich fahre gegen halb sieben von der Praxis weg. Ich bringe sie selbst hin. Bis dann werden wir ihre Babysitter sein.« Ein kurzes Zögern. »Diese Person, von der Sie sprechen, ist gut?«
»Die beste. Ich war selbst bei ihr.«
Das bisschen »selbst« hatte Carmen beruhigt, aber ihre Ärztin irritierte es.
»Kalifornische Offenheit«, kommentierte sie. Dann: »O Gott, tut mir leid. Sie sind wirklich nett gewesen, sind sofort hergekommen - ich bin bloß eine totale Zynikerin geworden. Ich weiß, dass es nicht gesund ist. Ich muss mich so weit bringen, dass ich den Menschen wieder vertraue.«
»Ist nicht leicht«, sagte ich und dachte an mein eigenes bröckliges Vertrauen.
Sie nestelte an ihrem Ohrring. »Hören Sie, ich möchte Ihnen wirklich danken, dass Sie hergekommen sind. Sagen Sie mir, wie viel Ihre Gebühr ausmacht, und ich schreibe Ihnen sofort einen Scheck.«
»Vergessen Sie’s«, sagte ich.
»Nein, ich bestehe darauf. Ich zahle für mich selbst.«
»Kommt nicht in Frage, Leslie. Ich habe nie eine Bezahlung erwartet.«
»Sind Sie sicher? Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich nicht auf Ausbeutung aus bin.«
Sie machte ein unglückliches Gesicht. Nahm das Stethoskop ab und wechselte es von der einen in die andere Hand.
»Ich weiß, als Sie zum ersten Mal hier waren, habe ich einen ziemlich brutalen Eindruck auf Sie gemacht, so geldgierig und ganz allein. Ich kann nur sagen: Das bin ich eigentlich gar nicht. Ich wollte all die Patienten anrufen, habe es immerzu im Kopf herumgewälzt. Ich werfe mir nicht Rasmussens Tod vor - er war eine Zeitbombe. Es fragte sich nur, wann sie platzt. Aber ich habe dabei begriffen, dass ich Verantwortung übernehmen, lernen muss, mich wie eine Ärztin zu verhalten. Als ich Sie mit Carmen allein gelassen habe, bin ich zum Telefon gegangen und habe begonnen anzurufen. Ein paar von den Frauen habe ich erreicht. Sie klangen okay, sagten, ihre Männer wären auch okay, was, wie ich hoffe, stimmt. Es ging eigentlich besser, als ich dachte - sie waren weniger feindselig als das erste Mal. Vielleicht habe ich einen Durchbruch geschafft, ich weiß es nicht. Aber wenigstens habe ich einen Kontakt hergestellt. Ich werde es weiter versuchen, bis ich alle erreicht habe, ganz gleich, was dabei herauskommt.«
»Für das, was es wert ist, tun Sie das Richtige.«
»Es ist eine Menge wert«, sagte sie mit plötzlicher Intensität. Dann sah sie verlegen aus und blickte zur Tür von einem der Untersuchungszimmer. »Nun, ich muss los, versuche, die Patienten zu halten, die ich habe. Nochmals vielen Dank.«
Zögern.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, küsste mich auf die Wange. Überrascht bewegte ich den Kopf, und unsere Lippen streichelten einander.
»Das war kindisch von mir«, sagte sie.
Bevor ich ihr sagen konnte, dass es das nicht war, ging sie zu ihrer Patientin.
18
Es war kurz vor fünf, als ich die Universität erreichte. Das Psychologiegebäude leerte sich, und nur eine Sekretärin war noch im Fachbereichsbüro. Ich ging schnurstracks zum Dienstplan der Fakultät und blätterte darin, ohne dass sie etwas dazu sagte. Vielleicht lag es an meiner Cordjacke. Kruse stand in dem Verzeichnis schon als Dekan drin, sein Büro hatte die Nummer
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