Sharpes Beute
schaute sich immer noch nervös um. Er eilte über die Fleet Street und wandte sich dann in ein verwirrendes Labyrinth schmaler Gassen. Es hatte zu regnen begonnen, und er war müde. Ein paar Betrunkene schwankten aus einer Kneipe, und Sharpe wandte sich instinktiv von ihnen ab und ging in eine breitere Straße, die er als High Holborn erkannte. Dort hielt er an, um zu Atem zu kommen. Waren Verfolger in der Nähe?
Gelbes Licht fiel aus den Fenstern der Häuser auf der gegenüberliegenden Straße. Geh nach Seven Dials, dachte er, und suche nach Maggie Joyce.
Der Regen wurde jetzt stärker und trommelte auf das Dach einer geparkten Kutsche. Eine andere Kutsche polterte vorbei, und Wasser spritzte aus einer Pfütze. Zwei Wachleute in blauen Uniformen schlenderten vorbei. Hatten sie den Lärm der Verfolgungsjagd gehört? Dann würden sie nach einem Armeeoffizier mit blutiger Kleidung suchen.
Sharpe sagte sich, dass er irgendwo Unterschlupf finden musste. Der Schein der Kutschenlampen war über eine Schenke namens »French Horn« gegeistert. Das Lokal war einst beliebt gewesen und von den Musikern des Theaters in der nahen Drury Lane besucht worden, doch in jüngster Zeit war es von einem alten Soldaten gekauft worden, der als Ansprechpartner und Betreuer für jeden Offizier galt, der fremd in der Stadt war. In der gesamten Armee war er als Frog Prick bekannt.
Beefsteak, dachte Sharpe, ein Bier, ein Bett und ein warmes Zimmer. Er hatte die Armee verlassen wollen, aber er war immer noch ein Offizier, und so würde ihn Frog Prick willkommen heißen. Sharpe packte seinen Tornister fester, überquerte die Straße und stieg die kurze Treppe zum Eingang hinauf.
Niemand nahm Notiz von ihm. Vielleicht die Hälfte der Gäste im Schankraum waren Offiziere, doch viele der Gäste in Zivilkleidung konnten ebenfalls in der Armee sein. Sharpe kannte keinen davon. Er fand einen freien Tisch, legte seinen Tornister ab und zog seinen Mantel aus. Eine rothaarige Frau, deren Schürze mit den Abzeichen Dutzender Regimenter geschmückt war, erklärte, dass noch ein Zimmer für die Nacht frei sei. »Aber Sie werden es mit jemandem teilen müssen«, fuhr sie fort, »und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Gentleman nicht aufwecken, wenn Sie hinaufgehen. Er ging früh zu Bett.« Sie verzog plötzlich das Gesicht, als sie das Blut auf Sharpes grünem Rock bemerkte.
»Ein Räuber wollte mir was abnehmen«, sagte Sharpe und klopfte auf die Umhängetasche. »Können Sie mir einen Krug kaltes Wasser bringen?«
»Sie wollen bestimmt auch Ihre Stiefel säubern?«, fragte sie.
»Und ich möchte einen Krug Ale«, sagte Sharpe. »Und ein Steak. Ein dickes.«
»Hab in letzter Zeit nicht viele Schützen gesehen«, sagte die Frau. »Ich hörte, sie gehen ins Ausland.«
»Da habe ich das Gleiche gehört.«
»Wohin geht's denn?«, fragte sie.
»Keiner weiß was Genaues.«
Sie neigte sich näher zu ihm. »Kopenhagen, Sweetheart«, flüsterte sie. »Pass nur auf, dass du in einem Stück heimkommst.«
»Kopen ...«, begann Sharpe.
»Pst.« Sie legte einen Finger auf die Lippen. »Wenn du jemals eine Frage über die Armee hast, komm zum Frog Prick. Wir kennen die Antwort zwei Tage, bevor das Kriegsministerium die Fragen stellt.« Sie grinste und ging davon.
Sharpe öffnete die Umhängetasche und versuchte zu schätzen, wie viel Geld sie enthielt. Mindestens zwanzig Pfund, nahm er an. Das musste für den Start in ein neues Leben reichen.
Er hatte Glück gehabt, am Leben zu bleiben. Vermutlich würden die Leute von Wapping nicht die Polizei einschalten. Viele hatten einen Schützenoffizier gesehen, der mit Hocking zusammen gewesen war, und konnten aussagen, dass er in Beaky Malones Kneipe gewesen war, doch Sharpe bezweifelte, dass die Constables es erfahren und sich darum kümmern würden. Hockings Leiche würde in die Themse geworfen und irgendwo in Dartford oder Tilbury an Land gespült werden. Niemand würde jemals erfahren, dass Jem Hocking in Notwehr getötet worden war. Und keiner würde als Täter hängen.
Aber Sharpe war immer noch ein gejagter Mann. Er war mit einem kleinen Vermögen aus Wapping geflüchtet, und es gab viele Gierige, die ihn suchten, um ihm das Geld abzunehmen. Hockings Schläger zum Beispiel. Und sie würden gerade in einer Kneipe wie die von Frog Prick nach ihm suchen. Also bleib nur eine Nacht hier, dachte Sharpe, und verschwinde dann für eine Weile aus London.
Gerade als er diese Entscheidung getroffen hatte, gab es
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