Sharpes Beute
ihn nicht töten wollen. Er hatte ihm das Geld abnehmen und ihm sagen wollen, dass es kaum die Leiden wiedergutmachen konnte, die er als Junge durch Hocking, dieses Stück Dreck, erlitten hatte. Doch das Schicksal hatte es anders gewollt, er hatte ums Überleben kämpfen müssen. Hocking und seine Schläger hatten ihm keine Wahl gelassen. Er hatte Hocking getötet, und jetzt saß er in der Falle. Einige Münzen lagen noch auf dem Tisch, eine davon ein Guinea, und er warf sie auf das Bett. »Emily?«
»Sir?«, antwortete eine leise, verschüchterte Stimme.
»Dieses Geld ist für dich. Versteck es und bleib selbst versteckt. Bleib unter der Decke liegen, bis dich jemand abholt.«
Immer noch Stille draußen. Aber das bedeutete nichts. Sharpe blies die Öllampe aus. Er zog seinen Mantel an und nahm seinen Tornister. Die Umhängetasche hängte er sich um die Brust, dann schob er seinen Säbel in die Scheide und ging zur Tür. So leise es ging schob er den Riegel zurück und öffnete die Tür einen Spalt. Er rechnete damit, dass die Schläger mit den Pistolen im Anschlag nur darauf lauerten, dass er in der Tür auftauchte. Sie wussten, dass er schließlich rauskommen musste, und so warteten sie. Er duckte sich und tastete nach dem Dachskäfig, der nach ihm geworfen worden war. Er stellte den Käfig neben die Tür und öffnete ihn.
Schwaches Licht fiel vom anderen Ende des Schuppens herein, gerade genug, um einen schwarzen Schatten erkennen zu lassen, der aus dem Käfig kroch. Es war ein großes Tier, und es versuchte in die Dunkelheit des Lagerraums zurückzukriechen, doch Sharpe stieß es mit der Spitze des Säbels auf den Gang hinaus.
Eine Pistole krachte und erhellte das Dunkel mit grellem Mündungsblitz. Der Dachs quiekte, und dann knallte eine Keule auf ihn hinab. Sharpe hatte die Tür aufgestoßen und war hindurch, bevor die Männer draußen erkannten, dass sie ihre Zeit mit einem Tier vertändelten. Der Säbel zuckte vor, und ein Mann schrie auf, dann riss Sharpe die Klinge herum und drosch auf dem zweiten Mann ein, der zurücksprang. Sharpe verlor keine Sekunde, sondern rannte zur Hintertür des Schuppens, denn er erinnerte sich an eine Gasse, die zu einem Kanal führte, der bis zur Themse verlief. Einer der beiden Männer folgte ihm, als er die Tür auframmte und in die Gasse rannte. Zwei Männer in der Gasse sprangen zur Seite, als sie Sharpes Säbel sahen. Sharpe hetzte weiter, bog nach rechts ab und rannte auf das große Lagerhaus zu, in dem Tabak lagerte und wo in seiner Kindheit eine Bande von Geldfälschern ihr Versteck gehabt hatte.
»Schnappt ihn!«, brüllte einer der Verfolger, und Sharpe hörte das Hämmern von Schritten.
Sharpe rannte in eine andere Gasse. Die Rufe waren jetzt laut. Männer jagten ihn, nicht um Hocking zu rächen - sie wussten noch nichts von seinem Tod-, sondern weil Sharpe ein Fremder in ihrem Revier war und sie Beute witterten. Der Tornister, der Mantel und Hockings Geldtasche waren schwer, die Gassen waren schlammig und voller Abfall, und Sharpe wusste, dass er bald ein Versteck finden musste. So rannte er in einen schmalen Durchgang, bog in dem Gewirr der Gassen nach rechts ab und sah schließlich einen dunklen Torweg, in den er sich ducken und Atem holen konnte. Er lauschte den Schritten, die an der Einmündung der Gasse vorbei hämmerten und schließlich nordwärts verklangen.
Er schnitt eine Grimasse, als er erkannte, dass sein Rock mit Blut getränkt war. Er musste ihn säubern, aber das konnte warten. Jetzt musste er erst mal entkommen. Er schob den Säbel in die Scheide, die er unter dem Mantel verbarg, und dann ging er mit dem Tornister in der Hand westwärts durch Gassen und Straßen, die ihm aus der Kindheit noch vage vertraut waren. Er fühlte sich sicherer, als er den Tower passierte, wo gelbes Licht aus hohen, schmalen Fenstern fiel. Ständig blickte er zurück und hielt nach Verfolgern Ausschau. Die Horde war zurückgeblieben, doch einige Clevere konnten sich leise anschleichen. Inzwischen wussten Sie, dass er lohnende Beute versprach, nicht nur wegen des Werts seines Säbels und der Silberknöpfe des Uniformrocks, sondern auch wegen der Münzen von Hocking. Er war für die Bluthunde von Wapping ein leichtes Opfer. Die Straßen und Gassen waren leer, und zweimal glaubte er Schritte hinter sich zu hören, aber er sah niemanden. Er ging weiter nach Westen.
Die Straßen wurden belebter, als er Temple Bar hinter sich ließ. Jetzt fühlte er sich sicherer, doch er
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