Sharpes Beute
ineinander gewundenen Schwänzen von vier Kupferdrachen zu bestehen schien. Er nahm auch sehr Nützliches wahr. Zum Beispiel, dass jede Straße und Gasse deutlich mit einem Namensschild versehen war. Das war nicht wie in London, wo ein Besucher sich nur durch Raten und Gottes Hilfe zurechtfand.
Ein älterer Mann, bärtig und einen Stapel Bücher auf dem Arm, sah Sharpe die Straßenschilder anstarren, Er sagte etwas auf Dänisch. Sharpe zuckte nur mit den Schultern. »Vous êtes Français?«, fragte der Mann.
»Amerikaner«, antwortete Sharpe. Er hielt es für unklug, zuzugeben, dass er Engländer war, wenn eine britische Flotte und Armee im Begriff war, Dänemark anzugreifen.
»Amerikaner!« Der ältere Mann wirkte erfreut. »Haben Sie sich verirrt?«
»Ja.«
»Sie suchen ein Wirtshaus oder ein Hotel, ja?«
»Ich suche einen Platz namens ...« Wie, zum Teufel, hieß der? »Elfins Platz?«, riet er. »Einen Mann namens Ole Stovegaard?« Er wusste, dass er die Namen durcheinandergebracht hatte, und kramte in den Taschen nach Lord Pumphreys Zettel. »Ulfedts Plads«, las er dann den Namen unbeholfen ab. Zwei andere Passanten waren jetzt stehen geblieben. Es hatte den Anschein, dass die Bürger in Kopenhagen es als ihre Pflicht betrachteten, Hilfe anzubieten, wenn sich jemand verirrt hatte.
»Ah! Ulfedts Plads. Das ist ganz in der Nähe«, sagte der ältere Mann. »Aber in Kopenhagen ist alles ganz in der Nähe. Wir sind weder Paris noch London. Waren Sie mal in diesen beiden Städten?«
»Nein.«
»Washington muss groß sein, ja?«
»Sehr groß«, bestätigte Sharpe, der keine Ahnung davon hatte.
»Tragen alle Männer in Amerika Säbel?«, fragte der Däne, der sich nicht damit zufriedengab, Sharpe den Weg zu beschreiben, sondern ihn begleitete.
»Die meisten von uns«, sagte Sharpe.
»In Dänemark haben wir die Gewohnheit aufgegeben«, sagte der ältere Bürger, »abgesehen von den Soldaten und ein paar Adeligen, die es für ein Privileg halten.« Er kicherte. Dann seufzte er. »Ich befürchte aber, dass wir bald Säbel tragen müssen.«
»So? Warum?«
»Man hat uns gewarnt, dass die Briten uns wieder angreifen. Ich bete, dass es nur ein Gerücht ist, denn ich erinnere mich an das letzte Mal, als ihr Lord Nelson herkam. Vor sechs Jahren! Ich hatte einen Sohn auf der Dannebrog, und er verlor ein Bein.«
»Das tut mir leid«, sagte Sharpe verlegen. Er erinnerte sich vage, dass er von Nelsons Angriff auf Kopenhagen gehört hatte, aber das war geschehen, als er in Indien gewesen war, und die Nachricht war im Regiment nicht auf viel Interesse gestoßen.
»Es stellte sich zum Besten heraus«, fuhr der alte Mann fort. »Edvard ist jetzt Pfarrer, in Randers. Es ist sicherer, Pfarrer zu sein als Marineoffizier. Gibt es Lutheraner in Amerika?«
»O ja«, sagte Sharpe, der keine Ahnung hatte, was ein Lutheraner war.
»Das freut mich zu hören«, sagte der alte Mann. Er hatte Sharpe in eine Gasse geführt, die auf einem kleinen Platz endete. »Dies ist der Ulfedts Plads.« Er wies hin. »Werden sie sich jetzt zurechtfinden?«, fragte er besorgt.
Sharpe versicherte es und dankte dem freundlichen Mann, dann holte er den Zettel hervor und las den Namen im schwindenden Licht, Ole Skovgaard. Eine Seite des Platzes wurde von einer Aquavit-Destillerie eingenommen, die andere von einem hohen Lagerhaus, und dazwischen befanden sich kleine Läden, eine Böttcherei, eine Stellmacherei und ein Messerschmiedegeschäft. Er ging an den Lädchen vorbei, hielt nach Skovgaards Namen Ausschau, und dann sah er ihn in verblassten weißen Lettern hoch auf der großen Lagerhauswand aufgemalt.
Das Lagerhaus hatte eine hohe Toreinfahrt und daneben eine kleinere Tür mit einem polierten Messingklopfer. Die kleinere Tür gehörte offenbar zum Lagerhaus, denn das »S« vom Skovgaard-Schriftzug war auf die Wand gemalt.
Sharpe betätigte den Türklopfer. Er war nervös. Lord Pumphrey hatte ihm klargemacht, dass Skovgaard nur die letzte Rettung war, aber Sharpe wusste nicht, wo er sonst Hilfe bekommen konnte. Er klopfte noch einmal an, hörte, dass ein Fenster hochgeschoben wurde, und trat zurück. Jemand spähte aus dem Fenster.
»Mister Skovgaard?«, rief Sharpe.
»Nein«, sagte der Mann.
»Sind Sie Mister Skovgaard?«, fragte Sharpe erneut.
Es folgte eine Pause. »Sind Sie Engländer?«, fragte der Mann dann misstrauisch.
»Ich muss mit Mister Skovgaard sprechen.«
»Es ist zu spät«, sagte der Mann missbilligend.
Sharpe
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