Sharpes Feuerprobe
Aquädukt und brauchten eine weitere Stunde, um einen Weg auf die andere Seite zu finden, bevor sie dann einfach in das Wasser sprangen und hindurchwateten.
Seringapatam lag weit unterhalb des Horizonts, doch Lawford wusste, dass die Stadt im Westen lag, und er wollte südwärts schwenken, bis sie den Kaveri erreichten, und dann dem Fluss zur Stadt folgen.
Die Laune des Lieutenants war auf einem Tiefpunkt. Er hatte sich freiwillig für diese Mission gemeldet, doch in der Nacht war ihm erst klar geworden, wie gefährlich sie war. Außerdem fühlte er sich einsam. Er war nur zwei Jahre älter als Sharpe und beneidete ihn um Marys Gesellschaft, und er nahm ihm immer noch den Mangel an Ehrerbietung übel. Er wagte es nicht, diesen Ärger zu zeigen, denn er wusste, dass er Sharpe damit erzürnen würde, doch er wollte es auch noch aus einem anderen Grund nicht, weil es ihm inzwischen klar geworden war, dass er Sharpes Bewunderung lieber hatte als seine Ehrerbietung. Lawford wollte beweisen, dass er so hart wie der Private war, und dieser Wunsch führte dazu, dass er stoisch auf das schrecklich Ungewisse zumarschierte.
Sharpe war gleichermaßen besorgt. Er mochte Lawford, nahm jedoch an, dass er sich hart anstrengen musste, um den Lieutenant aus allem Ärger herauszuhalten. Der Lieutenant hatte seine Rolle schnell gelernt, doch er war so unwissend über den Lauf der Welt, dass er leicht verraten konnte, dass er kein gemeiner Soldat war.
Was Tippu anbetraf, so war er keine unbekannte Gefahr, doch Sharpe war schlau genug, um zu wissen, dass er tun musste, was die Männer Tippus auch immer verlangen würden. Er machte sich auch Sorgen um Mary. Er hatte sie überredet, sich auf diese wahnsinnige Mission einzulassen und mitzukommen, und sie hatte nicht viel Überredung gebraucht. Doch jetzt war sie hier, und Sharpe befürchtete, dass er sie und Lawford nicht beschützen konnte. Aber trotz seiner Sorgen fühlte er sich immer noch frei. Er war schließlich von der Leine der Armee losgelassen, und er nahm an, dass er überleben konnte, solange Lawford keinen Fehler beging. Und wenn er überlebte, wusste er, wie er weiterhin Erfolg haben konnte. Die Regeln waren einfach: immer wachsam sein, und wenn Verdruss kam, schnell und hart zuschlagen. Bis jetzt hatte es funktioniert.
Mary hatte keine Zweifel. Sie hatte sich eingestanden, dass sie Sharpe liebte, doch sie spürte eine Unruhe in ihm, die ihr das Gefühl gab, dass er vielleicht nicht immer verliebt in sie sein würde. Dennoch war sie glücklicher, bei ihm zu sein, als zu der Armee zurückzukehren. Aber das lag nicht nur an Sergeant Hakeswills Drohung, sondern auch daran, dass die Armee die einzige Welt war, die Mary je gekannt hatte, und sie spürte, dass die Welt ihr mehr zu bieten hatte.
Sie war in Kalkutta aufgewachsen. Obwohl ihre Mutter Inderin gewesen war, hatte sich Mary nie in der Armee oder in Indien zu Hause gefühlt. Sie war weder das eine noch das andere. Für die Armee war sie eine bibbi , während sie für die Inder außerhalb ihrer Kasten war und von niemandem akzeptiert wurde. Sie war ein Halbblut, schwebte in einem Fegefeuer von Misstrauen, und nur ihr Aussehen half ihr zu überleben.
Obwohl die Armee ihr die freundlichste Gesellschaft geboten hatte, schenkte sie ihr kaum eine sichere Zukunft. Vor ihr erstreckte sich eine Folge von Ehemännern, nachdem der vorherige Ehemann in einer Schlacht gefallen oder am Fieber gestorben war, und wenn sie zu alt sein würde, um einen Mann anzuziehen, würde sie mit ihren Kindern allein sein und müsste sich so gut es ging durchs Leben schlagen.
Mary wünschte sich – genau wie Sharpe – eine Möglichkeit, einen Weg aus diesem Schicksal zu finden, aber hatte nie gewusst, wie sie das schaffen konnte. Dieses Abenteuer gab ihr immerhin eine Chance, vorübergehend aus der Falle auszubrechen.
Lawford führte sie einen kleinen Hügel hinauf, von dem aus sie, abgeschirmt durch blühende Büsche, auf das Land vorausspähten. Er glaubte im Süden das Glitzern von Wasser zu sehen, und der Anblick sagte ihm, dass es der Fluss namens Kaveri sein musste.
»In diese Richtung«, sagte er. »Aber wir werden die Dörfer meiden müssen.« Es waren zwei in Sicht, beide auf dem direkten Weg zum Fluss.
»Die Dorfbewohner werden uns ohnehin sehen«, sagte Mary. »Denen entgeht nicht viel.«
»Wir sind nicht hier, um ihnen Ärger zu machen«, sagte Lawford. »Also lassen sie uns vielleicht in Frieden.«
»Drehen wir die Röcke um,
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