Sharpes Feuerprobe
inbrünstig. »Ein Soldat, der Liebling eines Generals ist? Als Nächstes gibt man ihm die Streifen eines Sergeants!«
Der Gedanke an eine solche Ungeheuerlichkeit machte Hakeswill für einen Moment sprachlos. In seinem Gesicht zuckte es vor Empörung, und dann, mit sichtlicher Anstrengung, brachte er sich unter Kontrolle.
»Wer weiß denn, Sir«, sagte er verschlagen, »ob der Bastard uns nicht meldet, Sir, der Verräter, der er ist? Wir können keine Schlange an unserem Busen gebrauchen, Sir. Wir wollen doch nicht, dass die gute Laune der Kompanie gestört wird, indem wir den Liebling eines Generals in unseren Reihen dulden, Sir.«
»Liebling des Generals?«, wiederholte Morris leise.
Der Captain war ein korrupter Mann und fürchtete eine offizielle Überprüfung, doch er war viel zu faul, um die falschen Angaben in den eng beschriebenen Spalten der Zahlbücher zu vertuschen. Schlimmer noch, Morris befürchtete, dass Sharpe irgendwie seine Komplizenschaft bei der falschen Anklage enthüllen konnte, die zu Sharpes Auspeitschung geführt hatte, und obwohl es unmöglich schien, dass ein popeliger Private so viel Gehör in der Armee finden könnte, schien es ebenso unmöglich, dass ein Major General einen besonderen Botengang machte, um über diesen Private zu sprechen. Da ging etwas Sonderbares vor, und Morris mochte keine unbekannten Bedrohungen. Er wollte ein ruhiges Leben haben, und Sharpe hatte keinen Platz darin.
»Aber ich kann diesen Text nicht vom Formular weglassen«, beschwerte er sich bei Hakeswill und wies auf das Formular mit dem neuen Zusatz.
»Das ist auch nicht nötig, Sir, mit Verlaub, Sir. Hier wird kein Formular verteilt, Sir, nicht im 33. Regiment, Sir. Wir brauchen kein Formular, nicht wahr? Wir wissen, wie der Scheißkerl aussieht, und so wird man uns kein Formular geben, Sir. So werde ich verlauten lassen, dass die Armee jedem dankbar sein wird, der Sharpie eine Kugel in den Balg schießt, wenn er ihn sieht.« Hakeswill sah Morris’ Nervosität. »Das wird keinen Wirbel machen, Sir, nicht, wenn der Scheißkerl in Seringapatam ist und wir die verdammte Stadt auseinander nehmen. Ihn schnell umzulegen ist mehr, als er verdient. Er führt nichts Gutes im Schilde, Sir, das spüre ich im Urin, und ein Scheißer, der nichts Gutes im Schilde führt, ist am besten tot. So steht es in der Bibel, Sir.«
»Dessen bin ich gewiss, Sergeant, dessen bin ich gewiss«, sagte Morris und schloss das Strafbuch. »So müssen Sie tun, was Sie für das Beste halten. Ich weiß, dass ich Ihnen vertrauen kann.«
»Es ist mir eine Ehre, Sir«, sagte Hakeswill mit geheuchelter Emotion. »Eine große Ehre. Als Dank werde ich Ihnen den Bastard tot zu Füßen legen.«
In Seringapatam.
»Was, in Gottes Namen, haben Sie sich dabei gedacht, Sharpe?«, fragte Lawford wütend. Der Lieutenant war viel zu zornig, um weiterhin so zu tun, als ob er ein Private sei, und außerdem konnten sich die beiden zum ersten Mal an diesem Tag ungestört unterhalten.
Sie waren allein, jedoch nicht unbewacht, denn obwohl sie an der Südwand auf Posten standen, waren ein Dutzend Männer von Gudins Bataillon in Sicht, einschließlich des Sergeants namens Rothière, der die beiden Neuankömmlinge vom nächsten Kavalier aus beobachtete.
»Bei Gott, Private«, zischte Lawford. »Ich werde Sie dafür auspeitschen lassen, wenn wir zurück sind! Wir sind hier, um Colonel McCandless zu retten, nicht, um ihn zu töten! Sind Sie denn wahnsinnig?«
Sharpe starrte nach Süden über die Landschaft und sagte nichts. Zu seiner Rechten floss der seichte Fluss zwischen grünen Ufern. Während des Monsuns würde der Fluss anschwellen und sich ausbreiten und die weißen, flachen Steine überfluten, die sein Bett sprenkelten.
Sharpe fühlte sich jetzt besser, denn Doktor Venkatesh hatte etwas Salbe auf seinen Rücken aufgetragen, die den Schmerz gelindert hatte. Dann hatte ihm der Arzt neue Verbände angelegt und Sharpe verboten, sie feucht zu halten. Stattdessen mussten sie jeden Tag gewechselt werden, bis die Wunden verheilt waren.
Colonel Gudin hatte die beiden Engländer zu einer Kasernenstube an der südwestlichen Ecke der Stadt gebracht. Jeder Mann in der Kaserne war Europäer, die meisten davon Franzosen, doch es gab auch Schweizer, Deutsche und zwei Briten. Sie alle trugen die blauen Uniformen der französischen Infanterie. Weil für die beiden Neuen keine blauen Uniformen mehr übrig gewesen waren, hatte Sergeant Rothière Sharpe und Lawford
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