Sharpes Flucht
auf.
Er wartete auf ein Husten, aber aus der Dunkelheit in der Tiefe drang kein Laut. Rauch trieb die Treppe herauf. Ferragus schlich nach vorn, lauschte, dann feuerte er seine Pistole ab, bevor er sich duckte und zurückzog. Die Kugel prallte auf Stein, dann herrschte neuerlich Stille, nur in seinen Ohren rauschte es. »Benutze deine Muskete, Francisco«, befahl er, und Francisco trat an den Rand vor, feuerte nach unten und sprang zurück.
Noch immer nichts.
»Vielleicht sind sie krepiert?«, meinte Francisco.
»Dieser Gestank würde einen Ochsen umbringen«, bemerkte ein anderer Mann, und tatsächlich drang fauliger Gestank die Stufen herauf.
Ferragus war in Versuchung, nach unten zu gehen, aber er hatte gelernt, Captain Sharpe nicht zu unterschätzen. Höchstwahrscheinlich hockte Sharpe dort unten, dachte er, links oder rechts von der Treppe verborgen würde er darauf warten, dass die Neugier einen seiner Feinde in die Tiefe trieb.
»Mehr Feuer«, befahl Ferragus, und zwei der Männer zerbrachen ein paar alte Kisten. Die Bruchstücke wurden angezündet und hinunter in den Keller geschleudert, um den Rauch zu verdichten. Mehr Holz wurde hinuntergeworfen, bis der Boden am Fuß der Treppe einem Flammenmeer glich, aber noch immer gab es dort unten keine Bewegung. Es ertönte nicht einmal ein Husten.
»Sie müssen tot sein«, sagte Francisco. Niemand hätte diesen Wirbel von Rauch und Feuer überleben können.
Ferragus nahm einem seiner Männer die Muskete ab und begann sehr langsam, die Stufen hinunterzuschleichen, wobei er sich bemühte, kein Geräusch zu machen. Heiß glühten die Flammen auf seinem Gesicht, und der Rauch drang auf ihn ein, aber zu guter Letzt konnte er doch in den Keller hineinspähen, und was er sah, machte ihn fassungslos, unfähig, seinen Augen zu trauen.
In der Mitte des Raums, umgeben von glühenden Kohlen und brennendem Holz, befand sich nämlich ein Loch, einem Grab gleich. Er starrte darauf und verstand einen Moment lang gar nichts, und dann verspürte er plötzlich Angst, wie es ihm nur selten geschah.
Die Bastarde waren weg!
Ferragus blieb auf der untersten Stufe stehen. Francisco ging neugierig an ihm vorbei, wartete einen Augenblick, bis sich der schlimmste Rauch gelegt hatte, dann trat er die Flammen beiseite und spähte hinunter in das Loch. Er bekreuzigte sich.
»Was ist da unten?«, fragte Ferragus.
»Ein Abwasserkanal. Vielleicht sind sie ertrunken?«
»Nein«, sagte Ferragus, dann schauderte er, weil aus dem übel riechenden Loch ein hämmerndes Geräusch zu ihm heraufdrang. Das Geräusch schien aus weiter Ferne zu kommen, aber es war ein hartes, bedrohliches Geräusch, und Ferragus erinnerte sich an eine Predigt, die er einst von einem Dominikanerbruder hatte ertragen müssen. Dieser hatte die Bürger von Coimbra vor der Hölle gewarnt, die ihrer harrte, wenn sie ihr Leben nicht änderten. Der Bruder hatte das Feuer beschrieben, die Folterinstrumente, den Durst, den Schmerz, die Ewigkeit hoffnungslosen Weinens, und in dem widerhallenden Geräusch glaubte Ferragus die Gerätschaften der Hölle lärmen zu hören. Instinktiv fuhr er herum und floh die Stufen hinauf. Die Predigt hatte eine solche Kraft besessen, dass Ferragus hinterher zwei Tage lang versucht hatte, ein besserer Mensch zu werden. Er hatte nicht einmal eines der Bordelle aufgesucht, die er in der Stadt besaß, und jetzt, als er den Lärm hörte und beim Anblick des vom Feuer umgebenen Lochs, kehrte das Entsetzen des Sünders zu ihm zurück. Furcht überwältigte ihn, dass nun Sharpe zum Jäger und er zum Opfer geworden war. »Hier herauf!«, befahl er Francisco.
»Dieses Geräusch …« Francisco widerstrebte es, den Keller zu verlassen.
»Das ist er«, sagte Ferragus. »Willst du dort hinuntergehen und ihn suchen?«
Francisco blickte in die Öffnung hinab, dann floh er die Stufen hinauf und schloss hinter sich die Falltür. Ferragus befahl, die Kisten wieder daraufzustapeln, als könne das Sharpe davon abhalten, aus der stinkenden Unterwelt emporzutauchen.
Dann ertönte ein weiteres hämmerndes Geräusch, diesmal von den Türen des Lagerhauses her, und Ferragus schwang herum und hob sein Gewehr. Das neue Hämmern ertönte noch einmal, und Ferragus unterdrückte seine Angst und ging dem Lärm entgegen. »Wer ist da?«, brüllte er.
» Senhor? Senhor? Ich bin es, Miguel!«
Ferragus zerrte eine der Lagerhaustüren auf. Zumindest eines war noch in Ordnung in seiner Welt, denn Miguel und Major Ferreira
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