Sharpes Flucht
schien, ihm Antwort zu geben, je zorniger Vicentes Stimme wurde. »Sie waren angewiesen, nach uns Ausschau zu halten«, erklärte Vicente Sharpe endlich, »und uns zu töten.«
»Uns zu töten? Warum denn das?«
»Weil sie sagen, wir sind Verräter«, stieß Vicente zornig hervor. »Major Ferreira war mit seinem Bruder und drei weiteren Männern hier. Sie haben erzählt, wir hätten mit den Franzosen verhandelt und wären nun unterwegs zu unserer Armee, um sie auszuspionieren.« Er wandte sich wieder dem jungen Mann zu und sagte etwas in wütendem Tonfall, dann wandte er sich zurück zu Sharpe. »Und sie haben ihm geglaubt! Sie sind solche Narren!«
»Sie kennen uns nicht«, sagte Sharpe und nickte in Richtung der Männer am Hang. »Und vielleicht kennen sie ja Ferreira auch nicht.«
»Sie kennen ihn«, versicherte Vicente. »Er hat ihnen zu Beginn des Jahres diese Waffen gebracht.« Er nickte in Richtung der Musketen, die die Männer bei sich hatten, dann wandte er sich wieder an den jungen Mann, stellte eine Frage, erhielt ein einziges Wort zur Antwort und lief unverzüglich den Hang hinunter.
»Wohin gehst du?«, rief Sharpe ihm nach.
»Ich will mit ihnen reden, natürlich. Ihr Anführer ist ein Mann namens Soriano.«
»Sie sind Partisanen?«
»Jeder Mann in den Bergen ist ein Partisan«, sagte Vicente, dann ließ er sein Gewehr von der Schulter gleiten, schnallte den Degengurt ab und ging unbewaffnet den Hang hinab, um zu zeigen, dass er nichts Übles im Sinn hatte.
Sarah und Joana trafen auf dem Hügelkamm ein. Joana begann den jungen Mann zu befragen, der vor ihr noch mehr Angst zu haben schien als vor Vicente, der mittlerweile die Gruppe der sechs Männer erreicht hatte und mit ihnen sprach. Sarah stand neben Sharpe und berührte ihn sanft am Arm, wie um sich seiner zu versichern. »Sie wollen uns töten?«
»Mit dir und Joana haben sie möglicherweise etwas anderes vor«, sagte Sharpe. »Aber mich, Pat und Jorge wollen sie töten. Major Ferreira war hier. Er hat ihnen erzählt, wir seien Feinde.«
Sarah stellte dem jungen Mann eine Frage, dann wandte sie sich wieder Sharpe zu. »Ferreira war gestern Abend hier«, sagte sie.
»Dann ist der Bastard uns also um anderthalb Tage voraus.«
»Sir?« Harper behielt den Hang im Auge, und nun blickte auch Sharpe hin und stellte fest, dass die sechs Männer Vicente als Geisel genommen hatten, indem sie ihm eine Muskete an den Kopf hielten. Was das bedeutete, war offensichtlich: Wenn Sharpe den jungen Mann tötete, würden sie Vicente töten.
»Scheiße«, sagte Sharpe, der nicht sicher war, was er jetzt tun sollte.
Joana traf die Entscheidung. Sie rannte den Hügel hinunter, wich Harpers Versuch, sie aufzuhalten, leichthin aus und schrie die Männer, die Vicente festhielten, an. Zwanzig Yards vor ihnen blieb sie stehen und erzählte ihnen, was in Coimbra geschehen war, wie die Franzosen vergewaltigt, gestohlen und gemordet hatten, wie sie von drei Franzosen in ein Zimmer gezerrt worden war und wie die britischen Soldaten sie gerettet hatten. Sie knöpfte sich das Hemd auf, um ihnen ihr zerrissenes Kleid zu zeigen, dann verfluchte sie die Partisanen, weil diese ihrem wahren Feind auf den Leim gegangen waren.
»Ihr habt Ferragus vertraut?«, fragte sie. »Hat Ferragus euch jemals auch nur die geringste Freundlichkeit erwiesen? Und wenn diese Männer Spione sind, weshalb sind sie dann wohl hier? Warum reisen sie denn nicht mit den Franzosen?«
Ein Mann versuchte offenbar, ihr zu antworten, aber sie spuckte ihn an.
»Ihr erledigt die Arbeit des Feindes«, sagte sie verächtlich. »Wollt ihr, dass eure Frauen und Töchter vergewaltigt werden? Oder seid ihr gar nicht Manns genug, um Frauen zu haben? Ihr haltet euch lieber an die Ziegen, habe ich recht?« Sie spuckte ihn noch einmal an, knöpfte ihr Hemd wieder zu und ging den Hügel hinauf zurück.
Vier Männer folgten ihr. Sie gingen vorsichtig, ihre Musketen auf Sharpe und Harper gerichtet, dann blieben sie in sicherem Abstand stehen und stellten eine Frage. Joana gab ihnen Antwort.
»Sie sagt«, übersetzte Sarah für Sharpe, »dass du in der Stadt die Lebensmittel verbrannt hast, die Ferragus den Franzosen verkauft hatte.« Joana erzählte den vier Männern offensichtlich noch mehr, sie spuckte Worte wie Gewehrkugeln aus, ihr Ton war verächtlich, und Sarah lächelte. »Wenn sie meine Schülerin wäre«, sagte sie, »dann würde ich ihr den Mund mit Seife auswaschen.«
»Gott sei Dank bin ich nicht
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