Sharpes Flucht
Gehorsam verweigern, Sharpe«, brachte er schließlich hervor, »dann wird das schwerwiegende Konsequenzen für Sie haben.«
Sharpe verlagerte seinen Blick, sodass er jetzt Lawfords rechtes Auge ansah. Er blickte Lawford direkt an, was dem Colonel sichtlich Unwohlsein bereitete. Sharpe erkannte Schwäche und kam zu dem Schluss, dass das falsch war. Lawford war kein schwacher Mann, aber es fehlte ihm an Rücksichtslosigkeit. So erging es den meisten Männern. Die meisten Männer waren vernünftig, sie versuchten sich einzurichten und arrangierten sich mit den anderen. Es machte ihnen nichts aus, Salven abzuschießen, aber sie schreckten davor zurück, sich mit dem Bajonett in den Nahkampf zu begeben. Jetzt aber war die Reihe an Lawford, die Klinge zu schwingen. Er hatte erwartet, dass Sharpe sich bei Slingsby entschuldigen würde, und warum auch nicht? Es war nur eine kleine Geste, es löste dem Anschein nach das Problem, aber Sharpe weigerte sich, und Lawford wusste nicht, was er deswegen unternehmen sollte. »Ich werde mich nicht entschuldigen«, sagte Sharpe sehr scharf. »Sir.« Und das letzte Wort enthielt alle Unverschämtheit, die man einer einzelnen Silbe nur verleihen konnte.
Lawford schien zornentbrannt, aber wiederum sagte er ein paar Sekunden lang nichts. Dann nickte er abrupt. »Sie waren früher einmal Quartiermeister, glaube ich?«
»Das war ich, Sir.«
»Mister Kiley fühlt sich nicht wohl. Für den Moment, bis ich entschieden habe, was mit Ihnen geschehen soll, übernehmen Sie seine Pflichten.«
»Jawohl, Sir«, antwortete Sharpe hölzern, ohne eine Reaktion erkennen zu lassen.
Lawford zögerte, als ob es noch etwas gäbe, das gesagt werden sollte, dann setzte er seinen Zweispitz auf und wandte sich ab.
»Sir«, sagte Sharpe.
Lawford drehte sich um, ohne etwas zu sagen.
»Mister Iliffe, Sir«, sagte Sharpe, »er hat heute gut gekämpft. Wenn Sie seiner Familie schreiben, Sir, dann können Sie ihnen wahrheitsgemäß berichten, dass er sich sehr gut geschlagen hat.«
»Nur schade, dass er tot ist«, erwiderte Lawford bitter und ging davon, wobei er Knowles anwies, ihm zu folgen.
Forrest seufzte. »Warum entschuldigen Sie sich nicht einfach, Richard?«
»Weil er verdammt noch mal um ein Haar meine Kompanie umgebracht hätte.«
»Das weiß ich«, sagte Forrest, »und der Colonel weiß es, und Mister Slingsby weiß es und Ihre Kompanie weiß es auch. Jetzt beißen Sie also in den sauren Apfel, Sharpe, und kehren Sie zu ihnen zurück.«
»Er …«, Sharpe wies auf die entschwindende Gestalt des Colonels, »… er will mich loswerden. Er will seinem verdammten Schwager das Kommando über die Schützen übertragen.«
»Er will Sie nicht loswerden«, widersprach Forrest geduldig. »Großer Gott, er weiß doch, wie gut Sie sind. Aber er muss Slingsby einsetzen. Familienangelegenheit, verstehen Sie? Seine Frau will, dass er Slingsby eine Karriere verschafft, und was eine Frau will, Sharpe, das kriegt sie eben.«
»Er will mich loswerden«, beharrte Sharpe. »Und wenn ich mich entschuldige, Major, bin ich früher oder später doch aus der Sache raus. Also kann ich genauso gut gleich gehen.«
»Gehen Sie nicht allzu weit«, sagte Forrest mit einem Lächeln.
»Warum nicht?«
»Major Slingsby trinkt«, sagte Forrest ruhig.
»Tut er das?«
»Viel zu viel«, erwiderte Forrest. »Für den Moment kann er es unter Kontrolle halten, weil er hofft, bei einem neuen Bataillon eine Chance auf einen neuen Anfang zu haben, aber ich mache mir Sorgen um ihn. Ich hatte selbst ein ähnliches Problem, Richard, wobei ich Ihnen dankbar wäre, wenn Sie es niemandem erzählen würden. Ich vermute, unser Mister Slingsby wird letzten Endes zu seinen alten Gewohnheiten zurückkehren. Die meisten Männer tun das.«
»Sie nicht.«
»Noch nicht, Sharpe, noch nicht.« Forrest lächelte. »Aber denken Sie über das, was ich gesagt habe, nach, ja? Murmeln Sie dem Mann eine Entschuldigung hin. Und dann lassen Sie das Ganze vergessen sein.«
Wenn die Hölle gefriert, dachte Sharpe. Denn er würde sich nicht entschuldigen.
Und Slingsby hatte seine Leichte Kompanie.
Major Ferreira hatte den Brief seines Bruders gelesen, kurz nachdem die letzte französische Kolonne geschlagen worden war. »Er wünscht eine Antwort, senhor «, hatte Miguel, Ferragus’ Bote, gesagt. »Ein Wort.«
Ferreira starrte in den Kanonenrauch, der in Schwaden um den Abhang hing, wo so viele Franzosen gestorben waren. Dies war ein Sieg, dachte er,
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