Sharpes Gefecht
Totengräber sprangen entsetzt auf, als Rauch aus der Hecke stieg, wo sich der Schütze keine zwanzig Schritt von Hogan und Sarsfield entfernt versteckt hatte. Der Priester lag auf der ausgehobenen Erde. Sein Körper zuckte ein-, zweimal, dann stieß er einen letzten Seufzer aus und rührte sich nicht mehr.
Sharpe stand hinter der Hecke auf, ging zu dem Grab und sah, dass seine Kugel genau dort eingeschlagen war, wohin er gezielt hatte. Er hatte dem Mann mitten ins Herz geschossen. Sharpe starrte auf den Priester hinab, und ihm fiel auf, wie dunkel das Blut auf der Soutane aussah. Eine Fliege hatte sich bereits dort niedergelassen.
»Ich habe ihn gemocht«, sagte Sharpe zu Hogan.
»Das ist auch nicht verboten, Richard«, erwiderte Hogan. Der Major war aufgeregt und blass – so blass sogar, dass es kurz so aussah, als würde er sich übergeben. »Eine höhere Macht hat uns auferlegt, wir sollen unsere Feinde lieben, aber der Herr hat nichts davon gesagt, dass unsere Feinde nicht mehr unsere Feinde sind, wenn wir sie lieben. Und ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass in der Bibel irgendetwas davon steht, dass wir unsere Feinde nicht mitten durchs Herz schießen dürfen.« Hogan hielt kurz inne, und plötzlich war seine übliche Frivolität wie weggeblasen. »Ich habe ihn auch gemocht«, bemerkte er schlicht.
»Aber er wollte Sie erschießen«, sagte Sharpe.
Als Hogan auf dem Weg hierher unter vier Augen mit Sharpe gesprochen hatte, da hatte er den Rifleman davor gewarnt, was passieren könnte, und Sharpe hatte ihm zwar nicht geglaubt, sich dann aber doch versteckt und seinen Teil getan.
»Er hätte einen besseren Tod verdient gehabt«, sagte Hogan. Dann stieß er die Leiche mit dem Fuß ins Grab. Der Leichnam des Priesters landete verdreht, sodass es so aussah, als säße er auf dem Kopf von Kiely. Hogan warf die gefälschte Zeitung dem Toten hinterher und holte dann ein kleines, rundes Kästchen aus der Tasche. »Dass Sie Sarsfield erschossen haben, macht auch nichts wieder gut, Richard«, erklärte Hogan ernst, als er das Kästchen öffnete. »Sagen wir einfach, jetzt vergebe ich Ihnen, dass Sie Doña Juanita haben laufen lassen. Dieses Problem hat sich nun ohnehin erledigt. Aber dass man Sie opfert, um die Spanier glücklich zu machen, ist nach wie vor wahrscheinlich.«
»Jawohl, Sir«, sagte Sharpe gekränkt.
Hogan hörte den Ärger in der Stimme des Rifleman. »Das Leben ist nie gerecht, Richard. Wenn Sie mir das nicht glauben, können Sie ihn ja fragen.« Er nickte zu dem toten Priester und schüttete dann den Inhalt des kleinen Kästchens auf die blutige Soutane.
»Was ist das?«, fragte Sharpe.
»Nur Erde, Richard, nur Erde. Nichts Wichtiges.« Hogan warf das leere Kästchen zu den beiden Toten und rief dann die Totengräber. »Er war Franzose«, erklärte er ihnen auf Portugiesisch. Dank dieser Erklärung würden sie sicherlich über den Mord hinwegsehen, den sie gerade beobachtet hatten. Hogan gab den Männern je eine Münze und schaute dann zu, wie sie das Grab zuschaufelten.
Schließlich kehrte er mit Sharpe nach Fuentes de Oñoro zurück. »Wo ist Patrick?«, fragte der Major.
»Ich habe ihm gesagt, er soll in Vilar Formoso auf mich warten.«
»In einem Gasthof?«
»Aye. In dem, in dem ich Runciman kennengelernt habe.«
»Gut. Ich muss mich jetzt betrinken, Richard.« Hogan schaute düster drein. Fast hatte es den Anschein, als würde er gleich weinen. »Und schon wieder gibt es einen Zeugen Ihres Geständnisses in San Isidro weniger, Richard«, sagte er.
»Deshalb habe ich das nicht getan, Sir«, protestierte Sharpe.
»Sie haben gar nichts getan, Richard, absolut gar nichts«, erklärte Hogan in grimmigem Ton. »Was in diesem Hain passiert ist, ist nie geschehen. Sie haben nichts gesehen, nichts gehört, und Sie haben auch nichts getan. Vater Sarsfield lebt – Gott allein weiß wo –, und sein Verschwinden wird eines der großen Mysterien werden, die niemand je wird lösen können. Oder vielleicht hat Vater Sarsfield ja auch nie existiert, Richard, und in dem Fall können Sie ihn auch nicht getötet haben, oder? Also sagen Sie jetzt nichts mehr dazu, kein Wort.« Er schniefte und schaute in den blauen Abendhimmel hinauf, wo heute nicht ein einziger Hauch von Pulverdampf zu sehen war. »Die Franzosen haben uns einen Tag Frieden geschenkt, Richard. Das können wir ruhig feiern und uns betrinken. Und morgen werden wir kämpfen – Gott stehe uns zwei Sündern bei.«
Die Sonne
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