Sharpes Gold (German Edition)
Durst nimmt wirklich keine Rücksicht auf Ort und Zeit. Wir stehen kurz vor dem gefährlichsten und wahrscheinlich letzten Einsatz unseres Lebens, und Ihr erzählt mir, dass Ihr einen zur Brust nehmen wollt. Glaubt mir, Sergeant, wir werden mehr als genug Bier und Wein bekommen, wenn wir die verdammte Stadt eingenommen haben. Macht Euch keine Sorgen. Ich werde Euch höchstpersönlich ein Fässchen vom besten Moselwein kredenzen.«
»Ihr seid ein wahrer Gentleman, Mr. Steel, und ich nehme Euch beim Wort. Aber ich hätte lieber ein Fass deutsches Bier als irgendeinen verdammten Wein, wenn’s recht ist.«
Er verstummte, als er eine plötzliche Bewegung neben den Reihen der angetretenen Soldaten bemerkte.
»Sieht so aus, als wenn’s gleich losgeht.«
Als Steel dem Blick seines Sergeants folgte, sah er einen Reiter. Ein junger Fähnrich der Kavallerie preschte auf einer hübschen schwarzen Stute die Linien entlang. Brachte er die Einsatzbefehle? Es wäre höchste Zeit. Seit drei Uhr morgens waren Steel und seine Männer marschiert, bis sie den Befehl erhalten hatten, hier am Hügel Stellung zu beziehen. Inzwischen war es sechs Uhr am späten Nachmittag. Die Männer wurden allmählich unruhig. Eine weitere Verzögerung konnte verhängnisvoll sein. Wenn sie noch länger warten mussten, würden sie den Mut verlieren.
Steel ließ den Blick schweifen. Weit unterhalb des Hügelhangs sah er die geballte Masse der Hauptarmee, Regimenter, Bataillone und Schwadronen, darunter die zehn anderen Kompanien, die zu seinem eigenen Regiment gehörten.
Flaggen und Banner flatterten an Lanzenspitzen hoch über den dicht stehenden Reihen der Männer in Rot, Blau, Grau, Braun und Grün, als die Befehlshaber der alliierten Truppen – der Großen Allianz – ihre Einheiten zusammenzogen, um in die Lücke vorzustoßen, die Steels Männer und die anderen Angriffstruppen reißen sollten.
Wieder einmal musste Steel darüber staunen, was für eine bunt zusammengewürfelte Truppe sie waren: Engländer, Schotten, Iren und eine beinahe widernatürliche Union von Holländern und Hessen, Preußen und Dänen. Kein Wunder, dass ein babylonisches Sprachgewirr herrschte. Ging man durch das Lager, so konnte man beobachten, wie die Männer sich mittels Zeichensprache verständigten. Manche sprachen Patois, das Französisch des gemeinen Volkes. Steel hatte die Feststellung gemacht, dass man sich in diesem bunt gemischten Heer ironischerweise am besten auf Französisch verständigen konnte – also ausgerechnet in der Sprache des Feindes. Er fragte sich nur, wie stark der Zusammenhalt unter den Verbündeten sein mochte, sobald sie unter Feindbeschuss gerieten. Dass der Herzog von Marlborough die englischen Truppen im Griff hatte, stand außer Zweifel. Aber würden sich auch die ausländischen Verbündeten von einem Engländer befehligen lassen? Dennoch kam Steel nicht umhin, den Anblick des Heeres zu bewundern.
»Ein großartiges Bild, Jack, nicht wahr?«
Steels Offizierskamerad, Lieutenant Henry Hansam, trat neben ihn und hielt ihm eine silberne Dose mit Schnupftabak hin.
»Möchtest du?«
Steel winkte ab. Hansam schnupfte eine kräftige Prise, ehe er fortfuhr: »Aber das wird uns nichts nützen. Da oben auf dem Hügel sind wir allein. Man erwartet ein Wunder von uns, Jack, nichts weniger.«
Er nieste laut, zog ein seidenes Taschentuch aus dem Ärmel und wischte sich die Nase ab.
»Was glaubst du, Henry?«, fragte Steel. »Können wir es schaffen? Können wir dieses Wunder vollbringen?«
»Man hat uns jedenfalls nicht umsonst ausgewählt. Wenn wir die Festung nicht einnehmen können, dann schafft es auch kein anderer. Wir sind die Elite, mein Freund. Fünfundvierzig mal einhundertdreißig Mann, ausgewählt aus jedem englischen und schottischen Bataillon, das an diesem Feldzug teilnimmt. Der Herzog selbst hat bei der Auswahl ein Wort mitgesprochen. Sir James schickt natürlich nur seine Grenadiere ins Feld, und warum auch nicht? Schließlich wurden die Grenadiere für genau solche Einsätze geschaffen. Wir sind die Soldaten der Stoßtruppen. Wir haben die Körpergröße, die Beweglichkeit und die Kraft. Und bei Gott, Jack, wir haben den Mumm, diese Aufgabe zu bewältigen.«
Steel blickte zu den Grenadieren hinüber. Sie waren hünenhafte Männer, einer wie der andere. Keiner von ihnen war kleiner als eins achtundsiebzig. Auch sie waren ausgewählt worden – wegen ihrer Erfahrung, ihrer Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen, ihrer Schnelligkeit
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