Sharpes Gold (German Edition)
Schwertbajonett ein, und schon war der Treppenabsatz frei.
»Kearsey!«, rief Sharpe, ohne an die Rangbezeichnung zu denken. Um Himmels willen, wo war der Kerl?
»Kearsey!«
»Sharpe?« Der Major erschien an einer Tür, zog die Schnallen an seiner Hose zu. »Sharpe?«
»Machen Sie, dass Sie da rauskommen, Major!«
»Aber mein Ehrenwort!«
»Sie sind befreit!« Zur Hölle mit seinem Ehrenwort.
Am Ende des Gangs wurde eine Tür aufgerissen, ein Gewehr schoss, die Tür schloss sich wieder. Kearsey schien plötzlich aufzuwachen. »Da entlang!« Er zeigte auf mehrere geschlossene Türen. »Von dort aus kann man nach draußen springen!«
Sharpe nickte. Der Treppenabsatz schien keine Gefahren zu bergen. Ein weiterer Offizier hatte am Ende des Gangs eine Tür aufgerissen, aber eine Gewehrkugel hatte es ihm ratsam erscheinen lassen, keine weiteren Risiken einzugehen. Die Grünjacken luden nach, warteten auf ihre Befehle. Sharpe trat an die oberste Stufe. Drunten herrschte Chaos. Der Raum war erfüllt von Musketenrauch, der jedes Mal von Flammen durchbrochen wurde, wenn die Rotröcke Fenster und Türen unter Beschuss nahmen. Knowles hatte längst aufgehört, die Salven zu befehligen. Nun schoss jeder Mann, so schnell er konnte. Die brennenden Papierfetzen, die mit den Kugeln herausgeschleudert wurden, setzten Binsenmatten und Vorhänge in Brand. Sharpe legte die Hände an den Mund. »Lieutenant! Hier herauf!«
Knowles nickte und wandte sich an seine Männer. Sharpe stellte fest, dass Kearsey an seine Seite getreten war. Er hüpfte auf einem Bein, während er sich einen Stiefel anzog. »Die Gewehre werden Deckung geben, Major! Übernehmen Sie!«
Kearsey nickte, zeigte sich von den entschiedenen Kommandos, die Sharpe gab, nicht überrascht. Der hochgewachsene Schütze wandte sich den geschlossenen Türen zu. Gleich die erste war unverschlossen. Das Zimmer war leer, das Fenster stand einladend offen. Harper kam herein, um herauszuschlagen, was von Glas und Rahmen übrig war. Sharpe versuchte, die nächste Tür zu öffnen. Sie weigerte sich aufzugehen, daher warf er sich mit der Schulter dagegen, bis das Holz um das Schloss herum splitterte. Dann blieb er wie angewurzelt stehen.
Auf dem Bett lag, Hände und Füße an den vier dicken Pfosten festgebunden, eine junge Frau. Das schwarze Haar auf dem Kissen und ihr weißes Kleid erinnerten an Josefina. Über dem geknebelten Mund starrten ihm finstere Augen entgegen. Sie zappelte und wand sich, versuchte ihre Fesseln loszuwerden, und Sharpe war fasziniert von ihrer Schönheit, von der Entschlossenheit ihres Gesichtsausdruck.
Drunten ertönten nach wie vor Schüsse, dann ein plötzlicher Schrei, und man konnte riechen, dass das Feuer inzwischen das Holz erfasst hatte. Sharpe trat ans Bett und hieb mit seinem unhandlichen Degen auf ihre Fesseln ein. Sie warf den Kopf herum und wies mit den Augen auf einen finsteren Winkel des Raums. Sharpe sah die Bewegung, warf sich zu Boden, hörte das Krachen und spürte den Luftzug der Pistolenkugel, während neben dem Bett ein Mann auftauchte. Ein Oberst, wer hätte das gedacht, in der Uniform eines Husaren, dessen Vergnügen unterbrochen worden war, noch ehe es begonnen hatte. Im Gesicht des Mannes stand die Angst geschrieben. Sharpe lächelte, stieg aufs Bett, während der Oberst versuchte, aus dem Zimmerwinkel freizukommen, und hielt ihn kaltblütig in der Ecke gefangen.
»Sergeant!«
Harper kam herein, das siebenläufige Gewehr in der Hand, und entdeckte das Mädchen. »Gott schütze Irland.«
»Schneide sie los!«
Sharpe hörte Kearseys Stimme auf dem Treppenabsatz. »Ruhig jetzt!« Drunten zählte Knowles die Männer ab, schickte die Verwundeten als Erste hinauf. Der französische Oberst redete auf Sharpe ein, zeigte auf das Mädchen, aber der Degen nagelte ihn fest. Sharpe wünschte sich, ihn auf der Stelle getötet zu haben. Dies war nicht der Ort, Gefangene zu machen, und er saß fest, ohne zu wissen, was draußen vorging. Die junge Frau war frei. Sie rieb sich die Handgelenke, und Sharpe ließ den Degen sinken. »Pass auf ihn auf, Sergeant!«
Er rannte zum Fenster, schlug mit dem Degen die Scheiben ein und sah die menschenleere Dunkelheit, die draußen herrschte. Sie konnten es schaffen. Die ersten Rotröcke hatten gerade den Treppenabsatz erreicht, da schrie der französische Oberst auf, als erleide er entsetzliche Schmerzen. Sharpe wirbelte herum und sah, dass die schlanke dunkelhaarige Frau den Säbel des Franzosen
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