Sharpes Gold (German Edition)
gepackt und die Klinge in seine Eingeweide gerammt hatte. Sie lächelte und war dabei so schön, dass ihm der Atem verging.
Harper starrte die Szene fassungslos an. Sharpe aber ignorierte den Franzosen. »Patrick!«
»Sir?«
»Hol die Männer herein. Durch das Fenster! Hier und im Nebenzimmer!«
Die Frau spuckte den Franzosen an, der sich im eigenen Blut wälzte, und verwünschte ihn. Dann warf sie Sharpe einen Blick zu, der von unverblümter Verachtung zu sprechen schien, weil er den Franzosen nicht selbst getötet hatte. Sharpe wich vor ihr zurück, von ihrer raubvogelartigen Schönheit aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Kommandos draußen auf dem Treppenabsatz und die krachenden Musketen hörte er kaum. Er rang voller Selbstverachtung um seine Beherrschung, doch die junge Frau war schneller. Sie hatte den Säbel des Obersten, sie hatte ihre Freiheit wieder, sie lief durch die Tür, ohne auf die Kampfhandlungen zu achten, und wandte sich nach rechts. Sharpe rannte hinterdrein, alle Vorsicht außer Acht lassend, nur dem Instinkt folgend, dass mancherlei oder vielleicht auch nur ein Ereignis das Leben eines Mannes von Grund auf verändern konnte.
KAPITEL 7
Knowles hatte seine Sache gut gemacht. Die Halle stand in Flammen, enthielt jedoch keine Feinde mehr, und die Rotröcke zogen sich nun die Treppe hinauf zurück. Sie fuhren fort, nachzuladen und ihre Musketen abzuschießen, und nahmen keine Notiz von dem frischen Blut, das die Stufen schlüpfrig machte. Dann übernahmen die Rifles das Feuer. Ihre Baker-Gewehre entluden sich in den Saal hinab, während Major Kearsey, den Säbel in der Hand, die Männer in eines der Schlafzimmer drängte, an ein Fenster. Dabei brüllte er: »Springt!«
»Tief zielen! Tief zielen!«, bellte Harper die Schützen an. Nun drangen Husaren in die Halle ein, hustend vom Rauch. Aus den Fenstern im Obergeschoss sprangen die Rotröcke und formierten sich auf dem darunterliegenden Feld. Endlich fehlte nur noch Sharpe.
Knowles sah sich um. »Captain!«
»Er ist nicht da!« Major Kearsey packte Knowles. »Machen Sie, dass Sie hier verschwinden! Möglich, dass wir es noch mit Kavallerie zu tun bekommen!«
Die junge Frau war durch eine Tür geeilt, und Sharpe war ihr gefolgt. Dabei hatte er eine kleine Statue der Jungfrau Maria bemerkt, an deren Fuß zahlreiche Kerzen brannten. Er erinnerte sich, dass die Katholiken in der Kompanie entschieden hatten, dass heute – nein, gestern – der fünfzehnte August war, Mariä Himmelfahrt. Ihm war es recht, denn die Treppe hinter der Tür war gänzlich unbeleuchtet. Er nahm eine Kerze und folgte den verhallenden Schritten. Er beeilte sich, ließ die Absätze über die Stufen gleiten, polterte in die Tiefe.
Er verfluchte sich. Sein Platz war bei seinen Männern, nicht auf der Jagd nach einem Mädchen, nur weil es Josefinas langes schwarzes Haar hatte, eine schlanke Gestalt und eine Schönheit, die ihn überwältigt hatte. Aber dies war nicht die Nacht, sich vernünftig zu verhalten. Sie glich einem finsteren Wahn, dem letzten Wurf eines Glücksspielers. Außerdem, überlegte er, hatte man die Frau gefangen gehalten, darum war sie wichtig für den Feind, wichtig für ihn.
Diese rationale Erklärung reichte bis zum Fuß der Treppe. Der Treppenschacht war viereckig, und ihm war klar, dass er unter die Erde führte, in die Kellerräume. Er rannte hinab, beinahe außer Kontrolle. Die Kerzenflamme war längst ausgegangen.
Da schoss plötzlich ein weißer Arm vor, und ihre Stimme gebot ihm, zu schweigen. Sie hatten eine Tür erreicht, durch deren Planken Licht hereindrang, und wahrscheinlich hatten jene, die sich auf der anderen Seite aufhielten, längst ihre Schritte auf den Stufen gehört.
Sharpe stieß, ihre Vorsicht außer Acht lassend, die Tür auf. Dahinter stand mit ängstlichem Gesicht ein Ulan, eine Muskete samt aufgesetztem Bajonett in der Hand. Er stach auf Sharpe ein, vermutlich im Glauben, er könne ihn mit der Bajonettspitze leichter erledigen als mit einem Schuss. Aber Sharpe hatte sich auf genau diese Taktik eingestellt. Er ließ das Bajonett kommen, wich aus und nutzte die Eigenbewegung des Feindes, um ihm seinen Degen in den Bauch zu rammen. Dann erst packte Sharpe das Grauen.
Der Keller war blutbespritzt, lag voller Leiber, die eines schrecklichen Todes gestorben waren, jeder auf andere Weise. An den Wänden standen geplünderte Weinregale, aber der Boden war schwarz von spanischem Blut, übersät mit albtraumhaft obszönen
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