Sharpes Gold (German Edition)
weiterhin die Köpfe einzieht, müsste alles glattgehen.«
Sharpe fand es seltsam, dass Kearsey »ihr«, sagte, als gehöre der Major selbst nicht zum britischen Militär oder als gehe ihn Sharpes Überleben auf feindlichem Territorium nichts an. Er sagte nichts. Der Major kaute nervös an seinem Schnurrbart. Er wirkte tief in Gedanken versunken, und als er sprach, hörte es sich an, als sei er am Ende eines langen Gedankengangs angelangt.
»Sie müssen verstehen, warum es so wichtig ist.«
»Sir?« Sharpe war verwirrt.
»Das Gold, Sharpe.« Er verstummte, und Sharpe wartete. Der kleine Mann zwirbelte seinen Schnurrbart. »Die Spanier sind übel im Stich gelassen worden, Sharpe, ganz übel. Denken Sie nur daran, was nach Talavera passiert ist. Und Ciudad Rodrigo. Schändlich, Sharpe, schändlich.«
Sharpe sagte immer noch nichts. Nach Talavera hatten die Spanier Wellingtons Unterstützung eingebüßt, weil sie versäumt hatten, die versprochenen Nahrungsmittel und Vorräte zu liefern. Ein verhungerndes britisches Heer konnte Spanien nichts nützen. Ciudad Rodrigo? Vor fünf Wochen hatte sich die spanische Festungsstadt ergeben, nachdem sie heroisch verteidigt worden war, und Wellington hatte keine Hilfe gesandt. Die Stadt war für Massénas Vormarsch ein Hindernis gewesen, und Almeida war das nächste. Sharpe hatte die heftige Kritik gehört, dass die Briten ihre Verbündeten im Stich gelassen hätten, doch Sharpe war kein Stratege. Er ließ den Major weitersprechen.
»Wir müssen ihnen gegenüber etwas beweisen, Sharpe, dass wir sehr wohl helfen können, dass wir nützlich sein können, sonst können wir nicht mehr mit ihrer Unterstützung rechnen. Verstehen Sie das?« Er wandte Sharpe seinen finsteren Blick zu.
»Jawohl, Sir.«
Die Stimme des Majors gewann langsam ihre alte Munterkeit und Zuversicht zurück. »Natürlich verlieren wir den Krieg, wenn die Spanier nicht auf unserer Seite sind! Das hat Wellington endlich eingesehen, nicht wahr, Sharpe? Besser
spät als gar nicht!« Er lachte. »Deshalb will Wellington, dass wir ihm das Gold bringen, damit seine Ablieferung in Cádiz durch die Briten öffentlich bekannt wird. Dadurch wird etwas bewiesen, Sharpe, es zeigt, dass wir uns ehrlich Mühe geben. Es hilft, den Verrat von Ciudad Rodrigo zu verschleiern! Ah, die Politik, die Politik!« Er sprach die letzten beiden Worte wie ein gütiger Vater aus, der sich zu den wilden Spielen seiner Kinder äußert. »Verstehen Sie das?«
»Jawohl, Sir.«
Dies war nicht der rechte Zeitpunkt, zu widersprechen, obwohl Sharpe kein Wort von dem glaubte, was Kearsey gesagt hatte. Natürlich waren die Spanier wichtig, aber die Briten waren auch für die Spanier wichtig, und die Ablieferung einiger Säcke mit Gold konnte nicht das gute Einvernehmen und das Vertrauen wiederherstellen, das ein Jahr zuvor durch die Schuld der Spanier zerstört worden war. Doch kam es darauf an, dass Kearsey Wellingtons Motive für ehrenhaft hielt. Der kleine Major, wusste Sharpe, hatte sich leidenschaftlich auf die Seite der Spanier geschlagen, als habe er nach dem Leben als Soldat in den kahlen Hügeln und weiß getünchten Häusern der Spanier eine Wärme und ein Vertrauen gefunden, das es sonst nirgendwo gab.
Sharpe drehte sich um und wies auf Teresa und Ramon. »Wissen die beiden etwas über das Gold? Über Captain Hardy?«
»Sie sagen, Sie wüssten nichts.« Kearsey zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat El Católico das Gold abtransportiert und Hardy ist mitgegangen. Ich habe ihm jedenfalls befohlen, in seiner Nähe zu bleiben.«
»Dann müsste das Mädchen Bescheid wissen.«
Kearsey drehte sich um und sprach die junge Frau in holprigem Spanisch an. Sharpe lauschte der Antwort. Ihre Stimme war tief und heiser, und obwohl er die Sprache nicht verstehen konnte, war er doch froh, sie ansehen zu können. Sie hatte langes dunkles Haar, so schwarz wie das von Josefina, aber da hörte die Ähnlichkeit auch schon auf. Die junge Portugiesin hatte Bequemlichkeit geliebt und Wein, bei Kerzenschein getrunken, und weiche Laken, während dieses Mädchen Sharpe an ein wildes Tier erinnerte, mit Augen, die zu beiden Seiten einer kühn geschwungenen Nase unergründlich und wachsam blickten. Sie war jung. Dreiundzwanzig, hatte Kearsey gesagt, doch hatte sie um den Mund herum tiefe Falten. Sharpe erinnerte sich, dass ihre Mutter von den Franzosen umgebracht worden war, dass sie Gott weiß wie viel selbst gelitten hatte. Und er erinnerte sich an
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