Sharpes Gold (German Edition)
wurde, heil die Festung erreichen konnte, sobald die Franzosen fort waren. Er blickte die junge Frau an.
»Wirst du dich still verhalten?«
Sie nickte. Er wiederholte die Frage, sie nickte wieder, und er schob sich sacht zur Seite und legte sich neben ihr nieder. Sie drehte sich auf den Bauch, wobei das nasse Kleid an ihrem Körper klebte, und er dachte an den Anblick ihrer Nacktheit, an ihre verschattete schlanke Schönheit. Er streckte die Hand aus, ergriff das Seil um ihren Hals, drehte es, bis er den Knoten gefunden hatte, und machte sich mit nassen Fingern daran zu schaffen. Das enge wassergetränkte Seil gab langsam nach, doch dann war die Schlinge offen, und er ließ das Seil auf den Kies fallen.
»Tut mir leid.«
Sie zuckte mit den Schultern, als sei das alles nicht der Rede wert. Sie trug eine Kette um den Hals, und Sharpe, dessen Hand ohnehin in der Nähe war, zog daran und entdeckte ein quadratisches Medaillon aus Silber. Sie beobachtete ihn, und ihre dunklen Augen waren gänzlich ausdruckslos, als er den Daumennagel unter die Sperre schob und der Deckel aufsprang. Es war kein Bild darin, und sie deutete ein Lächeln an, weil sie begriff, dass er eines erwartet hatte. Das Deckelinnere enthielt eine Inschrift: Alles Liebe. J. Er brauchte einige Sekunden, bis ihm klar wurde, dass Joaquin, El Católico, niemals ein Schmuckstück mit einer Widmung in englischer Sprache versehen hätte. Da kam ihm die entsetzliche Gewissheit, dass es Hardy gehört haben musste und das »J« für Josefina stand. Er betrachtete den silbernen Ring, in den ein Adler eingraviert war und den sie vor Talavera gekauft hatte, vor Hardys Erscheinen. Getrieben von einem Aberglauben, den er nicht verstand, berührte er das Medaillon mit dem Ring.
»Er ist tot, nicht wahr?«
Einen Moment lang blieb ihr Gesicht reglos, doch dann nickte sie. Ihr Blick senkte sich auf den Ring an seinem Finger, richtete sich dann wieder auf sein Gesicht.
»Das Gold?«
»Ja?«
»Ihr bringt es nach Cádiz?«
Nun war Sharpe an der Reihe nachzudenken und durch den Regen, der von der Spitze seines Tschakos herabtropfte, ihre Augen zu beobachten. »Nein.«
»Ihr behaltet es?«
»Ich glaube schon. Aber um die Franzosen zu bekämpfen, nicht, um es mit in die Heimat zu nehmen. Mein Ehrenwort.«
Sie nickte und wandte sich ab, um nach dem französischen Konvoi zu sehen. Kanonen, die vom französischen Heer im Norden nach Almeida unterwegs waren. Keine Feldkanonen oder für die Belagerung geeignete Artillerie, sondern die von Bonaparte so geliebten achtzölligen Haubitzen mit obszönen engen Mündungen, die wie gedrungene Kochtöpfe auf ihren hölzernen Lafetten ruhten und in der Lage waren, Sprenghülsen hoch in die Luft zu schleudern, sodass sie auf die überfüllten Häuser einer belagerten Stadt herabfielen. Daneben gab es Karren, die wahrscheinlich Munition enthielten, und alle wurden sie von trägen Ochsen gezogen, die mit langen Stöcken angetrieben und von jähzornigen Kavalleristen gepeitscht wurden. Wind fuhr immer wieder unter die Leinwandbedeckung der Karren und löste die Seile, sodass die Planen wie aufgestörte Fledermäuse zappelten und flatterten.
Die Kavalleristen, die zweifellos den Krieg verfluchten, mühten sich ab, die kostbaren Pulverfässer vor dem nicht enden wollenden Regen zu schützen. Die massiven Achsen, die sich mit den Rädern bewegten, kreischten durch das nasse Tal.
Sharpe spürte, wie der Regen auf seinen Rücken trommelte, wie das Wasser im Bach ihm bis an die Knie stieg. Da wurde ihm klar, dass auch der Fluss dabei war anzuschwellen, und dass mit jedem Augenblick, der verging, seine Chance geringer wurde, ihn an der Furt zu überqueren. Das Wasser würde zu tief sein. Er wandte sich erneut an das Mädchen.
»Wie ist Hardy umgekommen?«
»El Católico.« Sie antwortete bereitwillig, und Sharpe war sich bewusst, dass ihre Sympathien umschlugen. An dem Kuss lag das nicht.
»Warum ist er hinter dem Gold her?«
Sie zuckte mit den Schultern, als sei das eine dumme Frage. »Um sich Macht zu erkaufen.«
Einen Moment lang fragte sich Sharpe, ob sie damit Soldaten meinte, und dann begriff er, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Das spanische Heer war zerschlagen. Die Regierung, wenn man sie überhaupt eine Regierung nennen konnte, tagte im fernen Cádiz, und El Católico hatte die einmalige Chance, sich eine eigene Domäne aufzubauen. Von den Hügeln Altkastiliens herab konnte er eine Lehensherrschaft ausüben, die es mit
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