Sharpes Sieg
weil ihm der Name unbekannt war.
»Das ist ein Dorf vier oder fünf Meilen nördlich von hier, Sir. Er sagt, dort sei eine riesige Armee.«
»Vier oder fünf Meilen?«, fragte Wellesley erstaunt.
Der Kavallerie-Captain zuckte mit den Schultern. »Das sagen sie, Sir.« Er wies zu den Getreidehändlern, die teil nahmslos zwischen den Soldaten standen, die von den Pferden gestiegen waren.
Guter Gott, dachte Wellesley, vier oder fünf Meilen? Er war reingelegt worden! Der Feind hatte ihm einen Marsch aufgezwungen, und in diesem Moment konnte er im Norden auftauchen und einen Angriff auf das britische Lager starten, und es gab keine Chance, dass Stevenson ihm zu Hilfe kam. Das 74. Regiment sang Kirchenlieder, und der Feind war fünf Meilen entfernt, vielleicht sogar weniger?
Der General wirbelte herum. »Barclay! Campbell!«, rief er seine Adjutanten. »Pferde! Schnell!«
Die hektische Aktivität beim Zelt des Generals führte zu Gerüchten im Lager, und die Gerüchte wurden zum Alarm, als alle Dragoner des 19. Regiments und die 4. Eingeborenen-Kavallerie hinter dem General und seinen beiden Adjutanten durch den Fluss ritten.
Colonel McCandless war mit Sharpe auf die Reihen des 74. Regiments zugegangen, doch als er die plötzliche Aufregung bemerkte, drehte er sich um und eilte zu seinem Pferd zurück.
»Kommen Sie, Sharpe!«
»Wohin, Sir?«
»Das werden wir herausfinden. Sevajee?«
»Wir sind bereit.«
McCandless’ Trupp verließ das Lager fünf Minuten nach dem General. Sie konnten den Staub, den die Kavalleristen hinterlassen hatten, voraus sehen, und McCandless beeilte sich, um aufzuholen. Sie ritten durch eine Landschaft mit tiefen Schluchten und voller kleiner Felder, die von Kakteenhecken umgeben waren.
Wellesley war der unbefestigten Straße nordwärts gefolgt, doch nach einer Weile bog der General westwärts auf ein Stoppelfeld ab.
McCandless folgte ihm nicht, sondern blieb auf der Straße.
»Es hat keinen Sinn, die Pferde unnötig müde zu reiten«, erklärte er, doch Sharpe nahm an, dass der Colonel nur ungeduldig war, nach Norden zur reiten und zu sehen, was die Aufregung verursacht hatte. Die beiden britischen Kavallerieregimenter waren im Osten in Sicht, doch es war kein Feind zu sehen.
Sevajee und seine Männer waren vorausgeritten. Als sie einen Hügelkamm etwa zweihundert Yards vor McCandless erreichten, zügelten sie ihre Pferde und zogen sie herum.
Sharpe erwartete, eine Horde von Marathen-Kavallerie über den Hügel kommen zu sehen, doch der Horizont blieb leer, als Sevajee und seine Männer ein paar Yards unterhalb der Hügelkuppe anhielten und absaßen.
»Sie wollen nicht, dass man sie sieht, Colonel«, sagte Sevajee trocken, als McCandless zu ihm ritt.
»Sie?«
Sevajee wies zum Hügelkamm. »Sehen Sie. Sie sollten absitzen.«
McCandless und Sharpe glitten aus den Sätteln und gingen zu einer Kakteenhecke, von der aus sie aus sicherer Deckung nach Norden spähen konnten, und Sharpe, der noch nie so einen Anblick gesehen hatte, starrte offenen Mundes.
Das war keine Armee. Das war ein ganzes Volk, eine Nation. Tausende und Tausende Feinde, alle in Linie aufgereiht, Meile um Meile. Männer, Frauen und Kinder und Geschütze, Kamele, Ochsen, Raketenbatterien und Pferde und Zelte und immer noch weitere Männer, es schien kein Ende davon zu geben.
»Jesus!«, stieß Sharpe hervor und fluchte.
»Sharpe!«
»Verzeihung, Sir!« Aber es war kein Wunder, dass er geflucht hatte, denn Sharpe hätte sich niemals vorstellen können, dass eine Armee so riesig sein konnte.
Die nächsten Truppen waren nicht mehr als eine halbe Meile entfernt, jenseits eines Flusses zwischen steilen, schlammigen Uferböschungen. Auf dem diesseitigen Ufer lag ein Dorf, und auf der Nordseite, gerade jenseits des Steilufers, stand eine Linie von Geschützen. Große Geschütze, die gleichen bemalten Kanonen, die Sharpe in Pohlmanns Lager gesehen hatte. Hinter den Geschützen war die Infanterie, und dahinter breitete sich, so weit man sehen konnte, bis zum Osten eine Masse von Kavallerie aus, und noch weiter dahinter sah Sharpe einen schier unzählbaren Tross. Weitere Infanterie war um ein fernes Dorf postiert, wo Sharpe viele bunte Fahnen sehen konnte.
»Wie viele sind das?«, fragte er.
»Mindestens hunderttausend Mann«, schätzte McCandless.
»Mindestens«, stimmte Sevajee zu. »Aber die meisten sind Abenteurer, die wegen der Beute gekommen sind.« Der Inder spähte durch ein langes, mit Elfenbein
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