Sharpes Sieg
Straße zu den Bäumen hinaufwand, die das Dorf Waroor halb verdeckten.
Der General hat recht, dachte Sharpe, da muss eine Furt sein, denn warum sonst ist die Straße auf beiden Ufern zu sehen? Doch ob die Furt seicht genug zum Durchqueren der Armee war, wusste noch niemand.
Wellesley verharrte auf seinem Pferd auf dem Steilufer und trommelte mit den Fingern seiner rechten Hand auf seinen Oberschenkel. Es war das einzige Anzeichen auf seine Nervenanspannung. Er starrte über den Fluss hinweg und dachte nach.
Kein Feind war in Sicht. Die Marathen-Linie war jetzt etwa zwei Meilen im Westen, was bedeutete, dass sich Sindhias Armee zwischen ihm und Stevenson befand. Wellesley verzog das Gesicht, als ihm klar wurde, dass er bereits sein erstes Prinzip beim Kampf dieser Schlacht aufgegeben hatte, das die Sicherung seiner linken Flanke war, sodass Stevenson zu ihm stoßen konnte. Zweifellos würde Stevenson herbeieilen, wenn er die Kanonaden der Geschütze hören würde, doch dann würde sich der ältere Offizier am Kampf beteiligen müssen, so gut er konnte. Wellesley bedauerte jedoch nicht, dass er Stevenson vor solche Schwierigkeiten stellte. Denn die Chance, die Flanke des Feindes zurückzudrängen und zu drehen, war ein Himmelsgeschenk. Das hieß, wenn der Fluss passierbar war.
Der Pionier-Captain führte ein Dutzend Sepoys hinab zum Fluss.
»Ich will nur das gegenüberliegende Ufer sehen, Sir!«, rief der Captain zum General hinauf und riss Wellesley aus seinen Gedanken.
»Kommen Sie zurück!«, rief Wellesley ärgerlich. »Zurück!«
Der Captain hatte fast das Wasser erreicht. Jetzt drehte er sich um und starrte verwirrt zu Wellesley. »Wir müssen die Straße ebnen, Sir!«, rief er und wies zu den Bäumen auf dem Nordufer des Kaitna, die den Blick abschirmten, wo die Straße steil anstieg. »Zu steil für Geschütze, Sir.«
»Kommen Sie zurück!«, rief Wellesley von Neuem, dann wartete er, als das Dutzend Männer wieder aufs südliche Ufer kam. »Der Feind kann den Fluss sehen, Captain«, erklärte der General, »und ich will nicht, dass er uns jetzt schon sieht. Er soll unsere Absichten nicht erkennen, also warten Sie, bis die erste Infanterie den Fluss durchfurtet, und beginnen dann mit Ihrer Arbeit.«
Der Feind hatte die Pioniere jedoch bereits gesehen. Das Dutzend Männer war nur ein paar Sekunden im Flussbett zu sehen gewesen, doch jemand in der Marathen-Schützenlinie war hellwach, und plötzlich gischtete das Wasser des Flusses auf, und fast gleichzeitig donnerte ein schweres Geschütz.
»Guter Schuss«, sagte McCandless ruhig, als sich die hohe Fontäne senkte und nur noch ein Wirbel im braunen Wasser des Flusses zu sehen war. Die Schussweite musste fast zwei Meilen sein, doch die Marathen hatten in Sekunden ein Geschütz gedreht, ausgerichtet und abgefeuert, und ihr Zielen war fast perfekt gewesen.
Ein zweites Geschütz feuerte, und seine schwere Kanonenkugel schlug eine Furche in den getrockneten Schlamm neben dem Fluss, hüpfte das Steilufer hinauf und riss Eimerladungen trockner Erde aus der Böschung.
»Achtzehnpfünder«, schätzte McCandless laut und dachte an die beiden schweren Belagerungsgeschütze, die er bei Dodds Männern gesehen hatte.
»Verdammt«, stieß Wellesley hervor. »Hat aber keinen wahren Schaden angerichtet.«
Die ersten der Infanteristen marschierten jetzt über Peepulgaons steile Straße. Lieutenant Colonel Orrock führt die Vorhut, und hinter ihr konnte Sharpe die Grenadierkompanie des 74. Regiments sehen. Die schottischen Trommler schlugen den Marschrhythmus, und der Klang der Trommelwirbel brachte Sharpes Blut in Wallung. Der Klang kündigte die Schlacht an. Es war fast wie ein Traum, doch an diesem Sonntagnachmittag würde es eine Schlacht geben, und zwar eine blutige.
»Tag, Orrock«, sagte Wellesley und gab seinem Pferd die Sporen, um der Infanterievorhut entgegenzureiten. »Geradewegs durch, denke ich.«
»Ist die Furt ausgelotet?«, fragte Colonel Orrock, ein schwermütiger und nervös wirkender Mann, angespannt.
»Unsere Aufgabe, nehme ich an«, sagte Wellesley heiter. »Gentlemen?« Diese letzte Einladung galt seinen Adjutanten und Ordonnanzen. »Sollen wir anfangen?«
»Kommen Sie, Sharpe«, sagte McCandless.
»Sie können nach uns durchfurten, Captain!«, rief Wellesley dem eifrigen Pionier-Captain zu, dann trieb er seinen großen kastanienbraunen Hengst den Hang hinab und trabte auf den Fluss zu. Daniel Fletcher folgte dichtauf mit Diomed am langen
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