Sharpes Sieg
südlich Sie reisen, desto mehr Sünde wird von den Frauen provoziert. Es macht natürlich Sinn. In der Hölle ist es heiß, und die Hölle ist das Ziel der Sünde.«
»Sie glauben also, dass es im Himmel kalt ist, Sir?«
»Ich stelle mir gern vor, dass es erfrischend ist«, antwortete der Colonel ernst. »Wie in Schottland. Bestimmt nicht so heiß wie in Indien. Die Hitze hier hat eine schlimme Auswirkung auf einige Frauen. Sie lässt gewisse Dinge in ihnen frei.« Er verstummte, dachte offenbar, dass er nicht zu viel sagen sollte. »Ich bin fest überzeugt, dass Indien schlecht für europäische Frauen ist«, fuhr er dann fort, »und ich werde froh sein, wenn wir Madame Joubert loswerden. Dennoch kann ich nicht leugnen, dass ihr Schicksal für mich günstig ist. Es erlaubt mir, einen Blick auf Lieutenant Dodd zu werfen.«
Sharpe stocherte mit einem halb verbrannten Stock im Feuer. Funken wirbelten empor. »Hoffen Sie, Lieutenant Dodd gefangen zu nehmen? Bringen wir deshalb Madame zu ihrem Mann zurück?«
McCandless schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle, dass wir die Chance bekommen werden, Sharpe. Nein, wir nutzen die uns vom Himmel geschenkte Möglichkeit, einen Blick auf unseren Feind zu werfen. Unsere Armeen marschieren in gefährliche Territorien, denn kein Ort in Indien kann Armeen in der Größe der Marathen-Streitkräfte aufstellen, und wir sind zahlenmäßig beträchtlich unterlegen. Wir brauchen nachrichtendienstliche Erkenntnisse, Sharpe, also beobachten Sie, und beten Sie, wenn wir sie erreichen. Halten Sie die Augen offen. Wie viele Bataillone? Wie viele Geschütze? In welchem Zustand sind die Geschütze? Wie viele Protzen? Schauen Sie sich die Infanterie genau an. Luntenschlossmusketen oder andere? In einem Monat oder so werden wir gegen diese Feinde kämpfen. Je mehr wir also über sie wissen, desto besser.« Der Colonel warf Erde aufs Feuer, löschte die letzten Flämmchen, die Sharpe gerade angefacht hatte. »Jetzt schlafen Sie, Mann. Sie werden all Ihre Kraft und Ihren Verstand am Morgen brauchen.«
Am nächsten Morgen ritten sie flussabwärts, bis sie zu einem Dorf neben einem großen, verlassenen Hindutempel gelangten. In dem Dorf gab es kleine Korbboote, die walisischen coracles ähnelten – Boote aus mit Häuten überzogenem Weidengeflecht –, und McCandless erstand ein halbes Dutzend davon als Fährboote. Die ungesattelten Pferde mussten hinter den Booten schwimmen.
Es war ein gefährliches Durchfurten des Flusses, denn die braune Strömung packte die leichten Boote und riss sie flussabwärts. Die Pferde, in deren Augen das Weiße zu sehen war, schwammen hinter den Korbbooten, die keinerlei Abdichtung hatten, sondern durch das geschickte enge Flechten das Wasser aus dem Boot fernhielten, und das Zerren der Zügel der Pferde an den Booten dehnte den leichten Holzrahmen und das Geflecht so sehr, dass alarmierend viel Wasser hineinlief.
Sharpe benutzte seinen Tschako, um sein Boot auszuschöpfen, doch die Bootsführer grinsten nur über seine nutzlosen Bemühungen und tauchten ihre Paddel härter ins Wasser. Einmal spießte ein halb untergetauchter Baumstamm fast Sharpes Boot auf, und wenn der Stamm das Boot getroffen hätte, wäre es sicherlich umgekippt, doch die beiden Bootsführer ruderten das Boot geschickt zur Seite und wichen dem Baumstamm aus, bevor sie weiterpaddelten.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie an Land waren und die Pferde gesattelt hatten.
Simone hatte ein Boot mit McCandless geteilt, und die kurze Reise hatte die Hälfte ihres dünnen Leinenkleids mit Wasser getränkt, sodass das nasse Gewebe hauteng an ihrem Körper anlag. McCandless war verlegen, und er bot ihr eine Pferdedecke an, damit sie sich sittsam verhüllen konnte, doch Simone schüttelte den Kopf.
»Wohin geht es jetzt, Colonel?«, fragte sie.
»Gen Aurangabad, Ma’am«, sagte McCandless schroff, und er vermied es, ihren verführerischen Körper anzusehen. »Aber zweifellos werden wir abgefangen werden, bevor wir diese Stadt erreichen. Ich glaube, Sie werden morgen Abend bei Ihrem Mann sein.«
Sevajees Männer ritten jetzt weit voraus, auseinander gezogen, um jeden Feind rechtzeitig zu entdecken. Dieser Landstrich gehörte dem Radscha von Haidarabad, einem Verbündeten der Briten, doch es war Grenzgebiet, und die einzigen befreundeten Soldaten nördlich des Godavari waren in den Garnisonen von Haidarabads abgeschiedenen Festungen. Der Rest waren allesamt Marathen, obwohl Sharpe an diesem Tag keinen
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