Sharpes Sieg
zu folgen.
»Er ist ein sturer Knochen, nicht wahr?« Der Hannoveraner wandte sich um und sah Sharpe an. »Also, Sergeant, kommen Sie mit uns?«
»Nein, Sir«, sagte Sharpe.
In der vergangenen Nacht hatte er sich fast entschieden, Pohlmanns Angebot anzunehmen, doch der Pferdediebstahl und der Schuss, den der Sepoy abgefeuert hatte, hatten ihn umgestimmt. Er konnte McCandless nicht verletzt zurücklassen, und zu seiner Überraschung empfand er keine große Enttäuschung darüber, dass ihm die Entscheidung aufgezwungen worden war. Die Pflicht diktierte, dass er bleiben sollte, aber ebenso das Gefühl, und er bedauerte es nicht.
»Jemand muss sich um Colonel McCandless kümmern, Sir«, erklärte Sharpe. »Er hat sich in der Vergangenheit um mich gekümmert, also bin ich jetzt an der Reihe.«
»Es tut mir ehrlich leid«, sagte Pohlmann. »Die Hinrichtung wird in einer Stunde stattfinden. Ich finde, Sie sollten sie sehen, damit Sie Ihrem Colonel berichten können, dass ihm Gerechtigkeit widerfahren ist.«
»Gerechtigkeit, Sir?«, fragte Sharpe verächtlich. »Es ist keine Gerechtigkeit, diesen Typen zu erschießen. Er wurde von Major Dodd angestiftet.« Sharpe hatte keinen Beweis für diese Behauptung, nur den starken Verdacht. Er nahm an, dass Dodd, von McCandless’ Beleidigungen erzürnt, den Pferdediebstahl in die Liste seiner Verbrechen aufgenommen hatte.
»Sie haben den Gefangenen verhört, oder nicht, Sir?«, fragte Sharpe. »Dann müssen Sie wissen, dass Dodd bis zum Hals in dieser Sache mit drinsteckt.«
Pohlmann lächelte müde. »Der Gefangene hat uns alles erzählt, ich nehme es jedenfalls an, aber was nützt das? Major Dodd bestreitet, dass der Mann die Wahrheit sagt, und ein halbes Dutzend Sepoys sagen unter Eid aus, dass der Major nirgendwo in der Nähe von McCandless’ Zelt war, als die Schüsse fielen. Und wem würde die britische Armee glauben? Einem verzweifelten Sepoy oder einem Offizier?« Pohlmann schüttelte den Kopf. »So müssen Sie mit dem Tod eines Mannes zufrieden sein, Sergeant.«
Sharpe erwartete, dass der gefangene Sepoy erschossen werden würde, doch es gab kein Anzeichen auf ein Erschießungskommando, als der Zeitpunkt des Todes für den Mann kam. Zwei Kompanien von jedem der acht Bataillone von Pohlmann traten an, und die sechzehn Kompanien bildeten drei Seiten eines Karrees vor Pohlmanns gestreiftem Zelt an der vierten Seite. Die meisten der anderen Zelte waren bereits für den Marsch nach Norden abgebaut worden, doch das große Zelt war geblieben, und eine der Segeltuchwände war hochgebunden worden, sodass die Offiziere auf Stühlen, die im Schatten des Zelts aufgestellt waren, die Hinrichtung sehen konnten. Dodd war nicht anwesend, ebenso wenig Frauen des Regiments, doch einige der Offiziere nahmen ihre Plätze ein, und Pohlmanns Diener servierten Leckereien und Getränke.
Der Gefangene wurde von vier von Pohlmanns Leibwächtern zu der behelfsmäßigen Richtstätte geführt. Keiner der vier Männer trug eine Muskete. Stattdessen waren sie mit Zeltheringen, Holzhämmern und kurzen Stricken ausgerüstet. Der Gefangene, der nichts außer einem Stück Tuch um seine Lenden trug, blickte gehetzt hin und her, als suche er einen Flucht weg, doch auf ein Nicken von Pohlmann hin traten die Leibwächter die Beine unter ihm weg, dass er zu Boden fiel. Die Leibwächter knieten sich neben den Mann und banden die Stricke um seine Handgelenke und Fußknöchel und befestigten die Fesseln dann an den Zeltheringen. Der zum Tode verurteilte Mann lag mit gespreizten Armen und Beinen da und starrte in den wolkenlosen Himmel, als die Holzhämmer die acht Heringe in den Boden trieben.
Sharpe stand abseits der Hinrichtungsstätte. Keiner sprach ein Wort mit ihm oder sah ihn nur an. Kein Wunder, dachte er, dies ist eine Farce. All die Offiziere mussten wissen, dass Dodd der Schuldige war, doch der Sepoy musste sterben.
Die angetretenen Soldaten schienen der gleichen Meinung wie Sharpe zu sein, denn es herrschte Verdrossenheit in den Reihen. Pohlmanns compoo mochte gut bewaffnet und hervorragend ausgebildet sein, doch es herrschte keine zufriedene Atmosphäre darin.
Der Gefangene lag in der Mitte der Hinrichtungsstätte. Ein indischer Offizier in ein prächtiges Seidengewand gekleidet und mit einem stark gekrümmten tulwar an der Seite, hielt eine Rede. Sharpe verstand kein Wort. Er nahm an, dass den zuschauenden Soldaten gepredigt wurde, welches Schicksal jeden Dieb erwartete. Als die Ansprache
Weitere Kostenlose Bücher