Sharpes Trafalgar
Ankerwinde in der Mitte des Decks, war von einer feindlichen Kanonenkugel zerschmettert worden. Blut tröpfelte vom Deck darüber. Ein Geschütz feuerte mit Kartätschenmunition, und Franzosen schrien.
Dann drang ein anderer Schrei an Sharpes Ohren.
Er kam von oben, vom Hauptdeck, das glitschig vom Blut war. »Schlagt die Enterer zurück! Schlagt die Enterer zurück!«
»Seesoldaten!«, rief Sharpe seinen paar Männern zu, doch keiner hörte ihn in dem Lärm, aber er hoffte, dass ihm einige folgen würden, wenn sie ihn durch den Niedergang klettern sahen. Er hörte Stahl auf Stahl schlagen. Keine Zeit zum Denken, nur Zeit zum Kämpfen.
Lord William zuckte zusammen, als die Backbordbreitseite der Pucelle zu feuern begann und das Donnern bis zu ihnen hallte.
»Wir sind noch in Aktion«, sagte er und ließ die Pistole sinken. Dann begann zu er lachen. »Es hat sich gelohnt, eine Waffe auf deinen Kopf zu richten, meine Liebe, einfach um deinen Gesichtsausdruck zu sehen. Aber war diese Reaktion auf dein Elend Reue oder Furcht?« Er legte eine Pause ein. »Komm schon! Ich will eine Antwort hören.«
»Furcht«, keuchte Lady Grace.
»Dennoch möchte ich hören, dass du alles bereust, wenn auch nur als Beweis, dass du einige edlere Gefühle hast. Ich höre.« Er wartete. Die Geschütze feuerten, und der Krach klang lauter, als eine Kanone zwei Decks über ihrem Zufluchtsort donnerte.
»Wenn du irgendwelche Gefühle hättest«, sagte Grace, »ein bisschen Mumm, dann wärst du an Deck, um dich den Gefahren zu stellen.«
Lord William fand das sehr belustigend. »Welch eine sonderbare Vorstellung du von meinen Fähigkeiten hast. Was kann ich tun, das nützlich für Chase sein würde? Meine Talente, meine Liebe, liegen in der Kunst der Politik, eher noch in ihrer Administration. Der Bericht, an dem ich schreibe, wird einen großen Einfluss auf die Zukunft Indiens haben und deshalb auch auf die Aussichten Britanniens. Ich erwarte, binnen eines Jahres Mitglied der Regierung zu sein. In fünf Jahren könnte ich Premierminister sein. Soll ich diese Zukunft aufs Spiel setzen, nur um mit ein paar minderbemittelten Idioten übers Deck zu stolzieren, die glauben, dass ein Held auf See die Welt verändern wird?« Er zuckte mit den Schultern. »Gegen Ende der Kämpfe, mein Liebling, werde ich mich zeigen, aber ich habe nicht die Absicht, irgendwelche unnötigen Risiken einzugehen. Lass Nelson heute seinen ruhmreichen Tag haben, aber in fünf Jahren werde ich ihn loswerden, wie ich will, und glaube mir, kein Ehebrecher wird von mir geduldet werden. Du weißt, dass er ein Ehebrecher ist?«
»Ganz England weiß das.«
»Ganz Europa«, korrigierte Lord William. »Der Mann ist unfähig zur Diskretion, und du, meine Liebe, bist auch indiskret gewesen.« Die Kanonen der Pucelle feuerten nicht mehr, und auf dem Schiff herrschte Stille. Lord William blickte zur Decke, als erwarte er, dass der Lärm jeden Augenblick wieder einsetzen würde, doch die Geschütze blieben stumm. Wasser gurgelte am Heck. Die Schiffspumpen arbeiteten wieder. »Es hätte mir nichts ausgemacht«, fuhr Lord William fort, »wenn du diskret gewesen wärst. Kein Mann lässt sich gern zum Hahnrei machen, aber es ist die eine Sache für eine Frau, sich einen vornehmen Liebhaber zu suchen, und eine ganz andere, mit der Dienerklasse zu vögeln. Warst du so verrückt und liebestoll? Das wäre eine milde Ausrede, aber die Welt sieht dich nicht als verrückt an, und so fällt dein Verhalten auf mich zurück. Du hast dich mit einem Tier, einem Lump, befriedigt, und ich nehme an, er hat dich geschwängert. Du widerst mich an.« Ihm schauderte. »Jeder Mann auf dem Schiff muss gewusst haben, dass du brünftig bist. Sie dachten, ich wüsste es nicht, sie grinsten höhnisch hinter meinem Rücken, und du machtest weiter wie eine billige Hure.«
Lady Grace sagte nichts. Sie starrte auf eine der Laternen an der Decke. Ihre Kerze flackerte, und Rauch kräuselte empor, der durch die Belüftungsschlitze entwich. Grace hatte rot geweinte Augen und war nicht in der Lage, sich zu verteidigen.
»Ich hätte all dies wissen sollen, als ich dich geheiratet habe«, sagte Lord William. »Man hofft allgemein, dass eine Ehefrau sich als treu, vernünftig und vernunftbegabt erweist, aber warum hätte ich das erwarten sollen? Frauen waren schon immer Sklaven ihrer Gelüste. ›Schwachheit‹, zitierte er, ›dein Name ist Weib!‹ Das schwache Geschlecht, bei Gott, wie wahr das ist! Ich
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