Sharras Exil - 17
Schwester.«
»Nein.« Schützend legte Lerrys einen Arm um Dio. »Unsere Schwester hat etwas Besseres verdient. Der Rat wird Lew nach dieser Sache mit Sharra nie mehr akzeptieren. Kennards zweiter Sohn ist überhaupt nie anerkannt worden, trotz allem, was Ken getan hat, und Marius ist doppelt so viel wert wie Lew. Ist Kennard einmal nicht mehr, wird sich der Rat anderswo nach einem Oberhaupt der Alton-Domäne umsehen - Bewerber gibt es genug! Nein, Dio …« - sanft drehte er ihr Gesicht zu sich herum - »… ich weiß, hier gibt es nicht viele junge Männer deiner eigenen Art, und Lew ist Darkovaner und, wie ich annehme, sieht er in den Augen einer Frau auch gut aus. Aber halte dich von ihm fern. Sei höflich, mehr jedoch nicht. Ich mag ihn auf gewisse Weise, aber er bedeutet Schwierigkeiten.«
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, versicherte Dio. »Ich kann den Mann nicht ausstehen.«
Doch in ihrem Inneren, da, wo es wehtat, fühlte sie ein schmerzhaftes Verwundern. Sie dachte an das unbekannte Mädchen, das Lew geheiratet hatte und das gestorben war, um sie alle vor der Bedrohung durch die Feuergöttin zu retten. Also war es Lew gewesen, der den Brand erst heraufbeschworen und dann Tod und Verstümmelung riskiert hatte, um ihn zu ersticken? Wieder erschauerte sie vor Furcht. Welche Erinnerungen mochte er haben, mit welchen Alpträumen musste er bei Nacht und bei Tag leben? Vielleicht war es kein Wunder, dass er sich mit finsterem Gesicht abseits hielt und weder für einen Mann noch für eine Frau ein freundliches Wort oder ein Lächeln hatte.
Rund um das Null-Schwerkraft-Feld hingen kleine Kristalltische in der Luft, und die Sitze schwebten scheinbar an juwelenbesetzten Sternenketten. In Wirklichkeit waren sie alle von Energienetzen umgeben. Selbst wenn ein Gast von seinem Stuhl kippte (und wo Wein und stärkere Getränke so reichlich flössen, geschah das zuweilen), konnte er nicht fallen. Aber die Illusion war atemberaubend und zauberte sogar auf Lew Altons verschlossenes Gesicht einen flüchtigen Ausdruck von Staunen und Interesse.
Kennard war ein großzügiger und gewandter Gastgeber. Er hatte Plätze dicht am Rand des Schwerkraftfeldes und die feinsten Weine und Delikatessen bestellt. Die Gesellschaft schwebte über dem sternenbesetzten Abgrund und sah den wirbelnden, sich drehenden Null-Schwerkraft-Tänzern zu, die unter ihnen wie frei fliegende Vögel dahinschossen. Dio saß zu Kennards Rechter, gegenüber von Lew, der nach der ersten kurzen Reaktion auf die Illusion des freien Raums keine Gefühlsregung mehr zeigte. Sein narbiges, im Stirnrunzeln erstarrtes Gesicht hatte einen geistesabwesenden Ausdruck. Unter ihnen flammten und flössen Galaxien, und die Tänzer, halb nackt in Füttern und losen Schleiern, flogen wie exotische Vögel auf den Sternenströmen. Lews rechte Hand, offensichtlich künstlich und beinahe unbeweglich, lag, von einem schwarzen Handschuh umhüllt, auf dem Tisch. Diese regungslose Hand erfüllte Dio mit Unbehagen. Der leere Ärmel war irgendwie ehrlicher gewesen.
Nur Lerrys fühlte sich wirklich wohl. Er begrüßte Lew mit echter Herzlichkeit, aber Lew antwortete nur einsilbig, und schließlich wurde Lerrys es müde, ein Gespräch zu erzwingen. Stattdessen beugte er sich über den Abgrund und betrachtete die zum Finale angetretenen Tänzer mit unverhülltem Neid. Von nun an machte er nur noch Bemerkungen über die besondere Geschicklichkeit oder die Mängel des einen oder anderen. Dio wusste, er sehnte sich danach, unter ihnen zu sein.
Als die Sieger gekürt und die Preise verteilt worden waren, wurde die Schwerkraft wieder angestellt und die Tische senkten sich in gemächlichen Spiralen auf den Boden nieder. Musik klang auf, Paare begaben sich auf die Tanzfläche des Ballsaals und bewegten sich, glitzernd und transparent, als befänden auch sie sich wie vorhin die Wettkämpfer in schwerelosem Flug. Lew murmelte, er wolle gehen, und hatte sich schon halb erhoben, doch Kennard bestellte neue Getränke. Während sie serviert wurden, hörte Dio, dass er Lew in leisem Ton Vorwürfe machte. Verstehen konnte sie nur: »Verdammt noch mal… nicht für immer verstecken …«
Lerrys stand auf und schlüpfte fort. Kurz darauf sahen sie ihn auf der Tanzfläche mit einer Frau von exquisiter Schönheit. Sie erkannten sie als eine der Wettkämpferinnen wieder. Das sternenfunkelnde Blau ihres Kostüms war jetzt mit Bahnen silbriger Gaze bedeckt.
»Wie gut er tanzt«, stellte
Weitere Kostenlose Bücher