Sharras Exil
Stadt.
Ich hatte erwartet, ihn im Bett zu finden, aber er war auf und ging mit nachschleppendem Bein umher. Er winkte mich zu einem Sessel und bot mir einen Kaffee oder einen Drink an, was ich beides ablehnte.
»Ich hätte gedacht, du würdest im Bett liegen. Du siehst auch aus, als gehörtest du hinein«, sagte ich, seinen Zorn riskierend, aber er seufzte nur. Er antwortete: »Ich wollte dir Lebewohl sagen; ich muss wohl nach Darkover zurückkehren. Ich habe eine Nachricht von Dyan Ardais erhalten …«
Ich verzog das Gesicht. Dyan war meines Vaters Freund seit ihrer gemeinsamen Kinderzeit, aber zwischen ihm und mir hatte es nie Sympathie gegeben. Mein Vater bemerkte meine Grimasse und erklärte scharf: »Er hat als Freund an deinem Bruder gehandelt, als ich nicht da war, um seine Interessen wahrzunehmen, Lew. Von ihm allein habe ich Nachrichten erhalten …«
»Kreide das mir nicht an«, fuhr ich auf. »Ich habe dich nicht gebeten, mich nach Vainwal zu bringen – oder nach Terra.«
Er wischte das beiseite. »Ich will nicht mit dir darüber streiten. Dyan ist deinem Bruder ein guter Freund gewesen …«
»Wenn ich einen Sohn hätte«, sagte ich mit absichtlicher Bosheit, »wünschte ich ihm einen besseren Freund als diesen verdammten Sandalenträger!«
»Darüber sind wir nie einer Meinung gewesen, und wir werden es wohl auch nie sein«, sagte mein Vater. »Doch Dyan ist ein ehrenwerter Mann, und das Wohl der Comyn liegt ihm am Herzen. Jetzt teilt er mir mit, dass der Rat Marius übergehen und die Alton-Domäne offiziell Gabriel Lanart-Hastur geben will.«
»Ist das eine solche Tragödie? Soll er sie doch haben! Ich will sie nicht.«
»Wenn du einen eigenen Sohn hast, wirst du mich verstehen, Lew. Und das wird bald der Fall sein. Ich finde, du solltest mit mir nach Darkover zurückkehren und die Sache während der diesjährigen Ratssitzungen in Ordnung bringen.« Er vernahm meine Ablehnung, die wie ein wütender Aufschrei war, bevor ich sprach, und da sprach ich ruhig. »Nein. Ich kann nicht, und ich will nicht. Dios Schwangerschaft ist zu weit fortgeschritten, als dass sie reisen könnte.«
»Du kannst zurück sein, bevor das Kind geboren wird«, stellte er vernünftig fest. »Und dann hast du für seine Zukunft gesorgt, wie es sich gehört.«
»Hättest du meine Mutter verlassen?«
»Nein. Aber dein Sohn sollte auf Armida geboren werden …«
»Es hat keinen Sinn, darüber nachzudenken«, erwiderte ich. »Dio ist hier, und hier muss sie bleiben, bis das Kind geboren ist. Und ich werde sie nicht allein lassen.«
Sein schwerer Seufzer klang wie das Rascheln von Winterblättern. »Ich brenne nicht gerade darauf, allein zu reisen, aber wenn du nicht mitkommen willst, muss ich es tun. Würdest du es mir anvertrauen, bei Dio zu bleiben, Lew? Ich weiß nicht, ob ich das Klima der Kilghardberge vertragen kann. Aber Armida soll nicht durch meine Schuld verloren gehen, und ich will nicht, dass man Marius’ Rechte ignoriert, ohne dass ich sicher weiß, wie Marius selbst darüber denkt.« Während er sprach, überwältigten mich die Erinnerungen – Armida, eingebettet in die Kilghardberge, überflutet von Sonnenschein, große Pferdeherden auf den Weiden im Oberland, Bäche, die munter sprangen oder vom Frost in ungebärdige Eisstränge verknotet waren, in vollem Lauf angehaltene Wassermassen. Der Schnee lag hoch auf den Bergen, Bäume zogen eine dunkle Linie vor dem Himmel. Das Feuer, das in meinem siebzehnten Jahr bei uns gewütet hatte, und die lange Reihe von Männern, die sich in knochenbrechender Arbeit über ihre Feuerschaufeln bückten. Ein Lager an der Feuerfront, geteilte Decken und Schüsseln, die Befriedigung, als die Flammen erstarben, und das Wissen, dass unser Heim ein weiteres Jahr lang sicher war … Der Geruch nach Harz, die Blüte des Kireseth , golden und blau mit den fliegenden Pollen im Hochsommer … Sonnenuntergang über den Dächern … Die Silhouette von Thendara … die vier Monde, die einer hinter dem anderen an dem dunkel werdenden Himmel des Mittsommerfests hingen … meine Heimat. Auch meine Heimat … geliebt und verleugnet …
Geh … weg! Waren nicht einmal die Erinnerungen meine eigenen?
»Es ist immer noch Zeit, Lew. Ich werde erst in zehn Tagen reisen. Gib mir Bescheid, wie du dich entschieden hast.«
»Ich habe mich bereits entschieden.« Damit schloss ich meine Abschirmung, ohne auf die besorgten Fragen zu warten, die jetzt, wie ich wusste, folgen würden, seine
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