Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
neun Uhr. Die Leute kommen immer etwas später auf ’ne Party, weiß man doch [Mit diesem Satz hab ich sie alle vor den Kopf gestoßen]. Wer möchte noch was von dem Dip?« Schweigen und noch mehr Schweigen. »Linda, komm mal kurz ins Schlafzimmer!« Wir besprachen uns hinter verschlossenen Türen.
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Keine Ahnung, Sheil, das ist eine ziemlich genervte Truppe da draußen. Wenn nicht bald was passiert, sind wir sie alle los.«
»Sie sind sauer auf uns.«
»Immer mit der Ruhe, rede mit ihnen, zeig ihnen, wie hübsch dein Küchenboden aussieht.«
Die Klingel. Ich stürzte zur Tür. Sechs Mädchen, die hübschesten, die ich je gesehen habe, und die ich von Herzen willkommen hieß. Alle waren Kates Freundinnen, alle kleine Starlets, aber ich dankte dem Himmel für ihr Erscheinen. Die Party kam in Schwung. Die Klingel, zwei weitere Mädchen, Freundinnen von der NYU. Die Klingel, noch drei Mädchen. Ich danke dir, lieber Gott, dass du meine Gebete erhört hast, aber bitte nicht gleichübertreiben. Noch ein paar, und die Party wäre einer dieser typischen New Yorker Singletreffs, bei dem auf einen Herrn drei Damen kamen.
Die Party war inzwischen voll im Gang. Kate stand, von einem Schwarm Bewunderer umgeben, in einer Ecke, manche der Jungs – Freunde von mir – hatte ich ihr zugeführt. Wie geschmacklos. Linda schien von Mrs. Cox’ Neffen angetan und er von Linda. Um zehn hat er dann auch das Licht ausgemacht. Ich spielte die perfekte Gastgeberin, holte Drinks, zauberte weitere Dips, wischte auf, was verschüttet wurde, kippte Aschenbecher in andere Aschenbecher und ärgerte mich darüber, dass ich dieses ganze unordentliche Pack in meine hübsche, saubere Wohnung gelassen hatte.
Alles in allem, eine typische Party. Peter, Paul und Mary aus den Lautsprecherboxen, ein Pärchen unter der Dusche, zwei verrückte College-Absolventen, die sich mit Popcorn bewarfen. Es ging rund. Um halb zwölf kam dann die Polizei.
»Wohnen Sie hier?«
»Ja.« (Was will der hier? Jemand wurde ermordet – meine Mutter ist erkrankt – der Mann vom Kiosk hat gesehen, dass ich nicht bezahlte, und mich angezeigt. Es ist gar kein Polizist, sondern tut nur so, damit er in die Wohnung kommt und mich vergewaltigen kann. Ich sehe einer bekannten Mörderin zum Verwechseln ähnlich, und sie halten mich für diese Person. Minderjährige, die Alkohol trinken. Ich schummelte bei meiner Steuererklärung und muss ins Gefängnis.)
»Die Nachbarn haben sich beklagt. Sie können nicht schlafen.« (Aufatmen)
»Tut mir leid, wir werden leiser sein, da schauen Sie selbst, wir feiern nur Halloween.« Ich öffnete die Tür, damit sie sich davon überzeugen konnten, dass wir eine Party hatten und keine ungesetzlichen Dinge taten.
»Sie können feiern, was Sie wollen. Es darf nur nicht zu laut werden, sonst müssen wir einschreiten. Das ist eine Verwarnung.«
Er ging. Ich brüllte, so laut ich konnte:
»RUHE, ALLE ETWAS LEISER BITTE. DIE POLIZEI WAR HIER. DIE POLIZEI.« Keiner verstand ein Wort von dem, was ich sagte; der Lärm hielt unvermindert an. Den Rest der Nacht hatte ich die Horrorvision, dass die Polizei zurückkäme, mich in eine Wanne verfrachtete, in der schon ein kleiner Dieb, zwei Prostituierte und eine Frau saßen, eine Frau, die gerade ihre Mutter umgebracht hatte, weil diese sie ständig bedrängte, sie solle doch Lehrerin werden.
»Ihr könnt euch jetzt über die Äpfel hermachen.« Wieder hörte keiner zu, oder vielleicht wollte auch keiner zuhören. Die Äpfel blieben unberührt in der großen Schüssel auf dem Tisch liegen. Es war halb eins, und die Musik war wieder lauter, obwohl ich sie schon dreimal runtergedreht hatte. Die Leute bildeten Paare, unterhielten sich gedämpft, flirteten, kamen sich näher. Ich schaffte den Müll in die Küche.
Dort kippte ich die Reste von Scotch und geschmolzenem Eis aus den Gläsern, in denen Zigarettenkippen herumschwammen. Pfui Teufel! Ich stand mit dem Rücken zur Tür.
»Hi.« Ich hörte eine männliche Stimme, die Hi sagte. Wer war der Mann, zu dem sie gehörte?
Ich drehte mich um, den Kopf so elegant wie Rita Hayworth in den Nacken werfend, und sagte: »Hi.« Mein Blick fiel auf eine dickere und jüngere Version von Manny Levine. Welliges Haar und kleine Augen hinter einer schwarz umrandeten Hornbrille, die auf einer klassischen jüdischen Nase saß, schwarzes, enges Hemd und Krawatte, ein braunes Sportjackett mit tausend Flecken in allen
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