Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
ganze Packung CoolWhip.
»Ich versteh das nicht, Schwester. Ich hab von heut auf morgen fünfzehn Pfund zugenommen. Muss was mit denDrüsen zu tun haben, oder es ist ein Familienübel, etwas in diese Richtung. Ich esse ganz wenig.«
»Mrs. Levine [warum sagt die dumme Kuh Mrs.?], ziehen Sie bitte die Schuhe aus, und stellen Sie sich auf die Waage, damit wir Ihr genaues Gewicht feststellen können. Auf die Waage? Mitten am helllichten Tag und mit all den Kleidern? Nicht mit mir. Ich bin Amerikanerin. Ich habe Rechte! Ich stellte mich aber doch auf die Waage, schaute nur nicht hin. Ich spürte, wie ihre Hand eines dieser kleinen Gewichte von der Hunderterkerbe in die Hundertundfünfzigerkerbe schob. Ich wog über eins fünfzig. Oh mein Gott. Hätte ich mal nicht die ganze Packung CoolWhip gegessen.
»Einhundertsiebenundfünfzig. Danke.« (Danke für was? Dass ich hundertfünfzig auf die Waage brachte und Dr. Sheldon aufgesucht hatte?)
Sie erstellte eine kleine Anamnese, maß den Blutdruck und fragte, ohne mit der Wimper zu zucken, ob Fettleibigkeit in meiner Familie liegen würde. Ich war nicht fettleibig. Könnte doch auch Babyspeck sein … oder vielleicht eine sich anbahnende Schwangerschaft?
Sie schickte mich in einen kleinen Raum mit mehreren Reihen von Klappstühlen, auf denen schon eine Gruppe ziemlich korpulenter Personen Platz genommen hatte. Ich war die Schlankeste. Wie gut das tat! Als wäre man plötzlich die kleine, dünne Schwester. Ein CoolWhip Junkie wollte wissen, warum ich hier sei, mit einer Figur wie meiner.
Wir hörten einen Vortrag über Fisch und Hähnchen ohne Haut und die Dinge, die man nicht essen durfte, weil sienicht auf der Liste standen (insgesamt waren es vielleicht drei Listen). Bitte die Hand heben, wenn Sie Wasser haben! Die Vortragende war eine Siebenundsiebzigjährige mit einem Körper wie Annette Funicello. Ich spitzte die Ohren. Danach bekamen wir eine Schachtel mit violetten, braunen, pinkfarbenen und grünen Pillen. Die bitte nehmen, und auch die Vitamine nicht vergessen. Poppen wir also gemeinsam beim Hinausgehen unsere pinkfarbenen Pillen!
Man stelle sich vor! Ich neigte zu Wasser. Das fehlte gerade noch. Als ich eine Woche später zum Gewichtscheck zurückkam, trug ich leichtere Kleidung, weniger Schmuck und die Haare zwei Zentimeter kürzer. Meine Pillen hatte ich brav geschluckt. Ich wog drei Pfund weniger. Dr. Sheldon war damit nicht zufrieden, aber unter uns, wer war eigentlich dieser Dr. Sheldon? Zweimal war ich schon in seiner Praxis gewesen, hatte ihn aber nie persönlich angetroffen. Vielleicht war Dr. Sheldon fettleibig und wollte sein voluminöses Hinterteil nicht zeigen.
Seine Assistentin veränderte die Zusammensetzung meiner Pillen – wegen der Wasserablagerungen bekam ich noch ein paar zusätzliche. Klar, die Wasserablagerungen. Ich lagerte ja auch sonst alles ab. Ich schluckte also auch diese gelben Pillen und musste danach ständig aufs Klo. Ich kam gar nicht mehr runter vom Klo.
Noch ein paar Worte zu den Diätpillen. Sie führen zu einem neurotischen Fehlverhalten. Wer so gestrickt ist wie ich, schluckt zwar seine Diätpille, rebelliert aber den ganzen Tag dagegen. Man betet sich z. B. ständig vor – okay, liebe Diätpille, du wirst mein Leben und meine Essgewohnheiten nicht ändern. Ich werde Dr. Sheldon und all den Leuten, die diese Pillen fabrizieren, beweisen, dass sie nicht wirken. Ich nehm sie, und ich esse, was ich will. Schluss. Punkt. Aus.
Sie haben gewirkt – sie machten mich völlig verrückt, ich fing an, mich zu kratzen und an meinen Nägeln zu kauen. Ich ging ständig an die Decke, brüllte Mrs. Cox an, drangsalierte den Postboten, quetschte dem Türsteher die Finger ein, und das mit voller Absicht.
»Sheil, es geht mich zwar nichts an, aber hast du Probleme?«
»NEIN, LINDA, WARUM FRAGST DU? IMMER FRAGST DU MICH SO BLÖDES ZEUG. IMMER STECKST DU DEINE NASE IN MEINE ANGELEGENHEITEN. LASS MICH IN RUHE, LASS MICH EINFACH IN RUHE. KÜMMERE DICH UM DEINEN EIGENEN QUARK UND LASS MICH IN RUHE.«
»Sheila, soll ich heute Abend vorbeikommen?«
»HALT DIE KLAPPE, NORMAN, HALT EINFACH DIE KLAPPE UND LASS MICH IN RUHE.«
»Sheila, Liebes, ich bin’s, deine Mutter. Wie geht es dir?«
»HERRGOTT NOCH MAL, MUTTER, WAS KÜMMERT DICH MEIN PRIVATLEBEN?«
Als ich meinen vierten Termin wahrnahm, hatte ich dreizehn Pfund und fünf Freunde verloren.
Ich ließ mir die Haare glätten und strähnen; die Spitzen brachen zwar dabei ab, aber egal,
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