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Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)

Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)

Titel: Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Parent
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im Altersheim misshandelt. Bei Melissa kann ich nicht wohnen. Sie lebt ihr eigenes Leben. Vielleicht könnte ich zu dir ziehen, Sheila. Wie würde dir das gefallen – mit deiner alten Mutter zusammenzuleben? Wenn man mich so sieht, würde man nicht glauben, dass ich eine Miss Coney Island war. So viele Männer habensich um mich bemüht. Beinahe hätte ich diesen Bandleader geheiratet, wie heißt er schon wieder? Alt zu werden ist schrecklich. Hab ich viele Falten? Ich meine, für eine Frau in meinem Alter? Vielleicht hat es ja auch sein Gutes, dass du nicht geheiratet hast, Sheila. Wenn deinem Vater was passieren sollte, Gott bewahre, könnte ich zu dir ziehen. Ich bin froh, dass ich Töchter habe – auf Töchter kann man sich verlassen.«
    Immer hat sie gewollt, dass ich heirate, und jetzt will sie plötzlich, dass ich Single bleibe, damit sie bei mir einziehen kann, wenn sie keine Zähne mehr hat. Ich dachte: »Das nächste Mal, wenn ich zu Rossman’s fahre, liege ich im Sarg. Das ist auf jeden Fall lustiger als dieser Trip.«
    Falls es sich noch nicht herumgesprochen hat – Henry Rossman ist ein miserabler Schauspieler. Als er mich erblickte, verfärbte sich sein Gesicht erst rot und dann wieder grau. Er hustete. Er stotterte. Er stolperte. Er wirkte wie ein Mann, der in Begleitung seiner Frau zufällig seiner Geliebten begegnet. Total übertrieben.
    »Guten Tag, Miss Levine, freut mich, Sie kennenzulernen.« (Ein übertriebenes »Freut mich«, begleitet von einem Zwinkern.)
    »Guten Tag.«
    »Miss Levine, möchten Sie sich etwas umschauen? Ich weiß, Sie waren noch nie hier.« (Lass den Quatsch, Henry. Und jetzt verleihen wir den Oscar für den schlechtesten Schauspieler des Jahres. Der Anwärter ist Henry Rossman.)
    »Ihre Tante wird neben ihrem Mann ruhen. Er ist in derGrabstätte dreiundsechzig A. Sie wird in dreiundsechzig B sein, gleich neben – ohhh.« (Oh Henry, du Pfeife, du Nille, du Dödel.)
    »Möchten Sie die Grabstätte sehen, Mrs. Levine, und wollen Sie mitkommen, Miss Levine? (Das reinste Wunder, dass er nicht sagte, »Möchten Sie mitkommen, Miss … Entschuldigen Sie, ich hab Ihren Namen vergessen, schließlich sind wir uns noch nie begegnet. Kommen Sie, und werfen Sie einen Blick auf Ihre Grabstätte! Du liebe Güte, was sag ich da!«)
    Wir schauten uns das Grab an – obwohl wir nicht wussten, warum. Sie würden Tante Goldies Mann nicht verlegen, warum sollten wir es uns anschauen. Wieder in Henry Rossmans Büro, spielte Henry den großen Psychologen. Der Blödmann hatte beschlossen, die Stimmung so aufzubereiten, dass ich meiner Mutter von meiner schrecklichen Krankheit erzählen konnte. Mit was musste man noch rechnen? Am besten mit allem.
    »Wie alt ist Ihre Tante geworden, Mrs. Levine?«
    »Einundneunzig.«
    »Der Durchschnitt hier ist einundsechzig. Darauf sind wir sehr stolz.« (Was zum Teufel soll das heißen?)
    »Schön.« (Das sagte meine Mutter, oder ich sagte das. Wir waren beide etwas verwirrt, und ich habe schon seit Längerem damit angefangen, meine Mutter zu kopieren.)
    »Ihre Tante wurde also einundneunzig? Sie hatte ein langes, erfülltes Leben. Wenn jemand in diesem Alter geht, ist das zwar traurig, aber nicht so traurig, wie wenn ein junger Mensch stirbt. Der Tod eines jungen Menschengeht einem immer sehr nahe, vor allem, wenn er krank war und die Krankheit seiner Familie verschwieg.«
    »Ich glaube, wir sollten mal besser gehen, Mutter. Ich hab den ganzen Weg nach Long Island vor mir, und du steckst auch nicht gern im Stau. WIR SOLLTEN ALSO BESSER LOS!«
    Er war in Fahrt geraten, hob die Augenbrauen und versuchte immer wieder, mir die Gelegenheit zu bieten, mein Herz auszuschütten.
    »Ich denke, junge Menschen sollten über ihre Probleme sprechen …« (Pause)
    »Sheila, Sie machen einen aufgeweckten Eindruck, ich sah das sofort, obwohl ich mich noch nie mit Ihnen unterhalten habe. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass ein junger Mensch, der krank ist und sterben wird, mit seinen Eltern darüber sprechen sollte … [Pause] Ich kenne ein junges Mädchen, das bald stirbt und nicht einmal mit seinen Eltern darüber redet. Ich würde ihm gerne einen guten Rat geben, was denken Sie, Sheila, soll ich ihm sagen?«
    Schließlich konnten wir flüchten. Meine Mutter meinte, dieser Henry Rossman sei etwas merkwürdig, worauf ich sagte, das liege wahrscheinlich an seinem Beruf, und da sie Tod in Hollywood gesehen hatte, gab sie sich damit zufrieden.
    Die Beerdigung fand am

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