Shelter Bay - 02 - Furienlied

Titel: Shelter Bay - 02 - Furienlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou

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erkannte sie. Das Bild von Kirks traurigen, verängstigten Augen schoss ihr durch den Kopf und sie wurde von Mitgefühl überwältigt.
    »Wir müssen gehen«, drängte Asia.
    »Ja«, gab ihr Zoe recht.
    Sie rannten los, gemeinsam, und jagten über die Felder zurück. Mit jedem Schritt fühlte sich Zoe geradewegs auf ein Schicksal zugetrieben, von dem sie nicht wusste, ob sie es wollte, aber das sie wahrscheinlich nicht umgehen konnte.

Kapitel 18
    Aus Die Kultur des Wahnsinns
    von Dr. Philip de Guerre

    In vielen Kulturen ist der Glaube an die Besessenheit Einzelner durch Geister oder Dämonen weitverbreitet, und auch diverse Stellen in der Bibel und anderen heiligen Schriften nehmen ausdrücklich Bezug darauf. Natürlich wissen wir heute zweifelsfrei, dass eine solche Besessenheit nicht existiert – die Symptome, die man jenen »Besessenen« zuschreibt, spiegeln sich vielmehr in den Berichten von Patienten wider, die an diversen Formen von Geisteserkrankungen oder psychischen Störungen leiden, darunter das Tourette-Syndrom, bipolare Störungen, Psychosen, multiple Persönlichkeitsstörungen usw. Wie sich zeigt, findet die Gesellschaft immer einen Weg, verschiedene Arten von »abnormalem« oder dissoziativem Verhalten zu benennen, wobei diesen Menschen nicht selten Kräfte zugeschrieben werden, die über jene gewöhnlicher Sterblicher hinausgehen.

    Angus wartete in seinen dunkelblauen Mantel gehüllt am Hintereingang, als Will mit quietschenden Reifen auf dem Parkplatz hielt. Er zog die Handbremse von Carls Truck fest und riss die Tür auf. Zoe war bereits auf der Beifahrerseite hinausgesprungen, dicht gefolgt von Asia.
    »Der Typ ist so was von gefeuert«, bemerkte Angus, als Zoe an ihm vorbei und ins Diner stürzte.
    Das erste Gesicht, das Zoe sah, war das von Angel. Sein Mund stand offen und sein Gesicht war aschfahl – Angel, dessen erste Reaktion sonst immer blinde Wut war, sah krank und verängstigt aus. Lisette hatte sich in der Tür zum Speisesaal aufgebaut, um sicherzustellen, dass kein Kunde auf die Idee kam, sich einzumischen.
    Kirk wand sich auf dem Boden, wobei er etwas in einer Sprache sang, die Zoe nicht kannte. Die Worte klangen hart und kehlig und kamen ihr fremd und hässlich vor. Er hielt ein Küchenmesser in der Hand. An seinem Ärmel war Blut und auf seiner weißen Schürze prangte ein blutiger Handabdruck.
    Die weißen Bodenfliesen unter dem Metalltisch, auf dem Angel sonst das Essen zubereitete, waren mit dunkelroten Tropfen gesprenkelt und verschmiert, als habe er sich halb über den Boden gezogen.
    »Kirk«, rief Zoe leise.
    Sein Kopf fuhr zu ihr herum und für einen Moment lächelte er sanft, dankbar, als wäre er wirklich Kirk und freue sich, sie zu sehen. Dann verfinsterte sich der Ausdruck und in den dunklen Höhlen seiner Augen machte sich ein seltsames Feuer breit. Er sang noch einige Worte, dann – mit einer unbeholfenen, verdrehten Bewegung – rammte er das Messer in seinen Oberschenkel.
    Will stöhnte entsetzt auf. »Mein Gott, Kirk!«
    »Oh, Scheiße!« Angus zog sein Handy aus der Tasche und fing an, den Notruf zu wählen. Asia riss ihm das Telefon aus der Hand und warf es ins Spülbecken, wo es mit einem metallischen Scheppern aufkam.
    »Das hab ich mir gerade erst gekauft!«, protestierte Angus, bevor er unter Asias Blick in sich zusammensank.
    Kirk riss das Messer aus seinem Oberschenkel und rappelte sich auf. Mit einem Schrei stürzte er sich auf Zoe, das Messer hoch erhoben. Zoe hob den Arm, um sich zu verteidigen, aber Asia war schneller. Sie bekam Kirks Handgelenk zu fassen und verdrehte es, aber seine Finger umklammerten den Griff des Messers wie eine Schlingpflanze einen Ast.
    »Ich werde diesen Körper vernichten, bevor ich zulasse, dass du ihr etwas antust«, sagte Asia.
    Beim Klang ihrer Stimme zuckte Kirk zusammen, als habe Asias Gesicht keinerlei Bedeutung, während ihre Stimme eine entfernte Erinnerung in ihm wachrief. Er starrte Asia an und in seinen Augen glänzte ein wildes goldenes Licht. Zum ersten Mal war sich Zoe sicher: Was auch immer dieses Ding war, es war nicht Kirk. »Asia«, sagte das Wesen in einem seltsamen Tonfall. »Willst du sie wirklich beschützen?« Die Stimme klang spöttisch und ein begieriges Leuchten erhellte Kirks Gesicht, als lasse das Wesen sich diese Herausforderung auf der Zunge zergehen. »So vernichte diesen Körper. Wage es.«
    Asia verengte die Augen und sah aus, als wolle sie genau das tun, aber Zoe schrie: