Sherlock Holmes Bisher unbekannte Fälle Sammelband 1
Fingernägeln herauszupuhlen. Der Hotelangestellte hinter dem Tresen murmelte etwas Unverständliches und verschwand in den hinteren Räumen.
„Wie meinen Sie das?“
Holmes zog pikiert über die Unhöflichkeit die linke Augenbraue hoch. Ich merkte, wie er ungeduldig zu werden begann und übernahm das Gespräch.
„Nein, keine Sorge, meine Herren. Wir sind keine ...äh ... Gentlemen, die neue Madames ins Geschäft bringen wollen. Wir suchen wirklich nur den Herrn und die Dame, aber ich denke, Sie haben sie nicht gesehen. Einen schönen Tag noch.“
Nach weiteren zwei Hotels hatte ich genug. Auch wurde es immer später. Ich machte Holmes darauf aufmerksam und sagte: „Vielleicht sollten wir doch das Geld besorgen und zur Victoria Park Road fahren. Und vielleicht finden wir dort sogar eine Spur von Mrs. Hudson. Es könnte sein, dass der Entführer unsere Wirtin im gleichen Haus gefangen hält, in dem wir das Geld in einen Briefkasten stecken sollen.“
„Watson, Watson, Watson! Zwei Dinge möchte ich dazu anmerken. Zum ersten haben Sie, mit Verlaub gesagt, noch nie eine richtige Idee gehabt, die zur Lösung eines Falls beitrug. Nicht böse sein, mein Lieber, ich sage das nicht, um Sie bloßzustellen oder zu ärgern. Und zum zweiten sind zwar die meisten Verbrecher nicht besonders schlau und begehen Fehler, durch die ihnen der Arm des Gesetzes auf die Schliche kommt. Aber für so dumm, Mrs. Hudson am Geldübergabeort festzuhalten, nein, für so dumm halte ich unseren Entführer nicht.
Natürlich habe ich diese Option als eine Möglichkeit in Erwägung gezogen, sie aber schnell wieder verworfen. Wenn es so einfach wäre, diesen Fall zu lösen, könnte ich mich ja gleich zur Ruhe setzen.“
Holmes hob die Hand, um einen Einwurf von mir nicht zuzulassen und sprach weiter: „Aber Sie haben Recht, es ist bereits spät. Lassen Sie uns zur Bank fahren und die eintausend Pfund abholen, nur um für alle Fälle gerüstet zu sein. Wir suchen die genannte Adresse auf und schauen sie uns an. Vielleicht kommt mir dann ein Gedanke, wie wir weiter vorgehen können.
Ich danke für Ihr Hilfsangebot, mich finanziell zu unterstützen, aber eine solche Summe kann ich problemlos von der Bank bekommen. Es sollte nur nicht zur Gewohnheit werden.“
So suchten wir die Londoner Zweigstelle der Bank of England auf und Holmes erhielt das Geld. Anschließend fuhren wir in die Park Road und verließen die Droschke ein Stück von der Hausnummer 89 entfernt.
Das Haus war ein Mietshaus in einer Reihe von Mietshäusern, nichts Ungewöhnliches. Das ganze Viertel bestand aus Mietshäusern und zur einsetzenden abendlichen Stunde, die Dämmerung begann gerade, kamen einige Passanten als heimkehrende Arbeiter in ihre Zuhause zurück. In den Händen hielten die meisten Aktentaschen und nichts wirkte an den zumeist männlichen Personen auffällig.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite begann der Victoria Park. Wir pirschten uns über die Parkseite an das Haus mit der Nummer 89 heran, um durch Bäume und Büsche einen Sichtschutz zu haben. Ich befürchtete halbherzig ironisch, uns durch Geräusche zu verraten, denn wir hatten noch immer nichts zu essen bekommen und mein Magen knurrte wie ein hungriger Wolf.
Wir sollten genau um acht Uhr abends das Geld im Hausflur in den Briefkasten mit der Aufschrift M. Jones stecken und nicht früher oder später erscheinen. Jetzt war es genau halb Acht und wir musterten durch zwei Büsche hindurch das Gebäude. Langsam begann es in der einsetzenden Dunkelheit zu verschwimmen. Es besaß drei Etagen mit jeweils drei Wohnungen. Welche der Wohnungen Mister Jones gehörte, war nicht ersichtlich. An allen Fenstern zu dieser Straßenseite befanden sich blickdichte Gardinen. Licht brannte in keinem der Räume.
„Warten wir auf acht Uhr oder schauen wir uns gleich im Haus um?“, raunte ich Holmes zu.
„Da wir uns nicht an die Regeln halten werden, können wir ebensogut jetzt gleich ins Haus gehen. Kommen Sie.“
Wir gingen zügig über die Straße und betraten das Haus, die schwere Eingangstür aus Holz ließ sich problemlos öffnen.
„Leise, Watson“, flüsterte mir Holmes zu. Er schaute sich um und ich tat es ihm nach. Eine Holztreppe führte in die oberen Etagen, davor hingen an der Wand die Briefkästen, ebenfalls aus Holz. Schnell fanden wir den mit dem Namensschild von M. Jones. Alle Briefkästen besaßen am unteren Rand des Türchens Löcher, damit die Besitzer sehen konnten, ob Post
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