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Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel

Titel: Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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arberischen Abenteuer schildern.“
    „Wenn das der Preis dafür ist – gerne.“
    Nach dem Abendessen im Hotel erzählte mir Holmes seine Erlebnisse. Später in London schrieb ich seinen Bericht aus dem Gedächtnis nieder, doch ich fürchte, ich werde ihn nie veröffentlichen dürfen. Zu grausam und zu phantastisch waren die Ereignisse gewesen in dem kargen, mittelalterlich anmutenden Land, wo noch die Blutrache herrschte. Was ich dagegen unter dem selbstironischen Titel
    „Das Geheimnis der Unsterblichkeit“ niederschrieb, war meine eigene Geschichte. Eigentlich eher die meiner Fieberträume während des Krankenlagers. Figuren aus meiner Lieblingslektüre – ich liebe Gruselromane wie Frankenstein und Dracula – verschmolzen darin mit Holmes und mir selber zu einer wüsten Phantasmagorie, die Gott sei Dank nie Realität wurde.
    Am nächsten Tag zog ich in Holmes’ Behausung um. Sie lag nahe bei Corfu-City außerhalb eines Dorfes mit dem denkwürdigen Namen Agios Chartaetos. Agios heißt, das wusste ich, heilig. Wer oder was aber mochte ein Chartaetos sein? Das wusste ich nicht! Holmes hatte ebenfalls keine Ahnung.
    Obwohl nach der langen britischen Herrschaft über Kerkyra reisende Engländer nichts Besonderes hätten sein dürfen, schauten uns die wenigen Einwohner von Agios Chartaetos halb neugierig, halb misstrauisch zu, als ich in Holmes’ Begleitung mit wenig Gepäck zu meinem neuen Domizil hinauszog.
    Das einfache, weiß gekalkte Gebäude war im landestypischen Stil errichtet. Er verfügte – außer über Fensterläden gegen die Tageshitze und einem flachen Dach – über drei Zimmer sowie eine kleine Küche mit offener Feuerstelle. Holmes hatte sich als Schlafraum das Zimmer mit einem gemauerten Bett und einer windschiefen Stiege ausgesucht, die zum Dach hinaufführte. Ich bezog das leer stehende Zimmer daneben in der Hoffnung, Holmes weniger zu stören, wenn er nachts lesen wollte. Ich schnarche nämlich, worüber sich meine Frau häufig beschwert.
    „Andere Frauen hätten längst auf getrennten Schlafzimmern bestanden. Aber ich mag nicht allein liegen. Nicht einmal bei diesem Höllenlärm“, pflegte sie zu sagen.
    Der dritte und größte Raum war das Wohnzimmer. In der Mitte standen ein türkischer Tisch mit Kupferplatte, ein Hocker und ein altersschwacher geflochtener Korbstuhl. Das musste für zwei ältere Herren genügen.
    Das Haus hatte dem alten Fischer Stavros gehört, der inzwischen auf dem kleinen Dorffriedhof ruhte. Sein Boot hatte Holmes für die Zeit seines Aufenthaltes gleich mitgemietet. An dessen Bug waren zwei Augen aufgemalt sowie die vier griechischen Buchstaben des Namens TYCHE, der Göttin des Glücks. Fast jeden Morgen ruderte ich, mich meiner wiedergewonnenen Kräfte erfreuend, ein Stück weit aufs Meer hinaus und warf meine selbst gebastelte Angel aus. Die Göttin Tyche war mir hold, denn fast nie kam ich ohne Beute zurück.
    Oft fing ich sogar so viele Fische, dass Holmes die, welche wir nicht auf einmal verzehren konnten, in der Sonne dörrte. Nie hätte ich gedacht, dass er auf seine alten Tage Mrs Hudson Konkurrenz machen und sich mit der Zubereitung von Speisen beschäftigen würde. Er dagegen sah das Dörren mehr als einen praktischen Aspekt der Experimentalchemie an.
    Gelegentlich begegnete mir auf dem Weg hinunter zum Meer eine hochgewachsene, stets barfüßige Frau in wallenden schwarzen Gewändern. Meist stand sie regungslos in der Nähe des Anlegers und beobachtete mich. Obwohl ich jedes Mal höflich grüßte, hob sie statt eines Dankes stets einen Zipfel ihres schwarzen Kopftuches vor Mund und Nase. Dabei blickte sie mich mit ihrem linken Auge an.
    In ihrem Blick lag etwas Gieriges, Hungriges. Die Höhle des rechten Auges war leer. So stellte ich mir eine Stryge vor. Insgeheim, aber vergeblich, suchte ich den Himmel ab, ob da womöglich über ihr Raben kreisten, die klassischen Hexenbegleiter im Märchen.
    Ich maß ihrem Blick wenig Bedeutung bei. Nicht jeder Grieche und nicht jede Griechin mochte auf Briten gut zu sprechen sein. Das ist das traurige Schicksal eines jeden Empires.
    Vielleicht war einer ihrer Angehörigen im Kampf gegen britische Soldaten gefallen oder man hatte ihn wegen irgendeines Vergehens eingesperrt, und nun gab sie den Fremden die Schuld daran.
    Kaum saß ich, den Strohhut auf dem Kopf, auf der Ruderbank im Boot, vergaß ich die einäugige Frau auch schon wieder. Manchmal erinnerte ich mich ihrer beim Hinausrudern wieder und suchte sie

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