Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
plaudern.«
»Das verstehe ich, Mr. Mason. Die Situation ist auch so klar genug. Wie mir Dr. Watson Sir Robert beschrieben hat, kann ich mir gut vorstellen, daß keine Frau vor ihm sicher ist. Glauben Sie, daß der Streit zwischen Bruder und Schwester auf dieser Ebene lag? «
»Der Skandal ist seit geraumer Zeit ziemlich offensichtlich.«
»Aber vielleicht hat sie es vo rher nicht gewußt. Nehmen wir einmal an, daß sie es erst jetzt herausgefunden hat. Sie möchte die Frau loswerden. Ihr Bruder will es aber nicht erlauben.
Die Kranke mit ihrem schwachen Herzen und ihrer Unbeweglichkeit hat keine Möglichkeit, ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen. Die verhaßte Zofe ist an sie gebunden. Die Dame weigert sich, zu reden, zieht sich in sich selber zurück und beginnt zu trinken. Sir Robert nimmt ihr in seinem Ärger ihren Lieblingsspaniel fort. Hängt das nicht alles zusammen?«
»Hm, an der Oberfläche schon ... «
» Richtig, an der Oberfläche hängt es zusammen. Aber was hat das alles mit den nächtlichen Besuchen in der alten Krypta zu tun? Das paßt dann nicht in die Geschichte. «
»Nein Sir, und noch etwas paßt nicht in die Geschichte. Weshalb sollte Sir Robert einen längst Verstorbenen wieder ausgraben? «
Holmes richtete sich steil auf.
»Das haben wir erst gestern herausgefunden - nachdem ich Ihnen geschrieben habe. Gestern war Sir Robert nach London gefahren und so gingen Stephens und ich in die alte Krypta. Es war alles in Ordnung, Sir, nur, daß eben in einer Ecke der Rest eines menschlichen Körpers lag.«
»Sie haben doch sicherlich gleich die Polizei informiert?« Unser Besucher lächelte grimmig.
»Ach Sir, ich glaube kaum, daß die sich dafür interessieren. Es handelte sich nur um den Schädel und ein paar Knochen einer Mumie. Möglicherweise war sie tausend Jahre alt. Aber jeden-falls war sie davor nicht da. Das kann ich beschwören und Stephens auch. Sie war in die Ecke geschoben und mit einem Brett zugedeckt, aber diese Ecke ist vorher immer leer gewesen. «
»Was haben Sie damit gemacht?«
»Wir haben sie dort einfach so liegen gelassen.«
»Das war sehr weise gehandelt. Sie sagten, Sir Robert war gestern fort. Ist er inzwischen zu-rückgekehrt?«
»Wir erwarten ihn heute zurück.«
»Wann hat Sir Robert den Hund seiner Schwester fortgegeben?«
»Das war heute genau vor einer Woche. Der Hund heulte vor dem alten Brunnenhaus und Sir Robert war an diesem Morgen in einer seiner übleren Verfassungen. So hat er ihn gegriffen und ich dachte schon, er wollte ihn umbringen. Dann gab er ihn Sandy Bain, dem Jockey und befahl ihm, ihn zum alten Barnes vom >Grünen Drachen< zu bringen, denn er wollte ihn niemals wiedersehen. «
Holmes hing schweigend seinen Gedanken nach. Er hatte sich seine älteste und stinkendste Pfeife angezündet.
»Bisher ist mir noch nicht ganz klar geworden, was ich für Sie in dieser Angelegenheit tun soll, Mr. Mason«, sagte er schließ- lich. »Können Sie das ein bißchen klarer definieren?«
»Ich habe hier etwas, das die Angelegenheit noch etwas deutlicher definiert«, sagte unser Besucher.
Er nahm ein Papier aus seiner Tasche und während er es sorgfältig entfaltete, kam ein ve rkohltes Stückchen eines Knochens zum Vorschein.«
Holmes besah es sich interessiert. »Woher haben Sie es?«
»Der Ofen der Zentralheizung befindet sich im Keller unter dem Zimmer von Lady Beatrice.
Die Heizung war schon längere Zeit aus, aber Sir Robert beklagte sich, daß es so kalt sei und so wurde sie wieder in Gang gesetzt. Harvey versorgt die Heizung. Er ist einer meiner Jungen.
Heute morgen kam er zu mir und zeigte mir, was er unter der Asche gefunden hatte. Dieser Fund gefiel ihm nicht recht. «
»Mir gefällt es auch nicht«, sagte Holmes, »Watson, was halten Sie davon?«
Es war schwarz und verkohlt und doch konnte kein Zweifel daran bestehen, daß es sich um anatomische Reste handelte. »Es ist das obere Ende eines menschlichen Oberschenkels«, sagte ich.
»Richtig«, sagte Holmes sehr ernst. »Um welche Zeit muß dieser Bursche die Heizung ve rsorgen?«
»Er macht sie jeden Abend fertig und läßt sie dann.«
»Und jeder kann während der Nacht da heran?«
»Ja, Sir.«
»Kann man auch von außen in den Keller gelangen?«
»Ja, es gibt eine Tür, die nach außen geht. Und eine Tür führt zu der Treppe und zu dem Flur, in dem die Räume liegen, die Lady Beatrice gewöhnlich bewohnt.«
»Wir geraten in sehr tiefes Wasser, Mr. Mason, und es ist ziemlich
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