Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
kleine Haus zu.
Ich habe gesagt, daß schwere Gardinen vor den Fenstern angebracht waren, aber nun waren außerdem noch Läden vor- gelegt. Ein wenig Licht schien allerdings hindurch und so konzentrierte ich meine Aufmerksamkeit darauf. Ich hatte Glück, denn die Gardine war nicht vollständig geschlossen und im Fensterladen gab es einen kleinen Spalt. Ich konnte also in den Raum hineinsehen. Es war ein gemütliches kleines Zimmer mit einer hellen Lampe und einem lustig flackernden Feuer. Mir gegenüber saß der kleine Mann, den ich am Morgen gesehen hatte. Er rauchte Pfeife und las eine Zeitung.«
»Welche Zeitung?« fragte ich.
Mein Klient war verärgert über meinen Entwurf. »Spielt das eine Rolle?« fragte er.
»Es ist unerhört wichtig. «
Ich habe wirklich nicht darauf geachtet. «
Aber vielleicht haben Sie bemerkt, ob die Zeitung in größeren oder kleinen Lettern gedruckt war. Letztere würden für den Typ der wöchentlichen Magazine sprechen.«
»Nun, da Sie es sagen, finde ich, daß die Lettern nicht groß waren. Es könnte der >Spectator< gewesen sein. Ich habe jedoch nicht daran gedacht, meine Gedanken auf ein solch kleines Detail zu richten, denn ein zweiter Mann saß in dem Zimmer, aber mit dem Rücken zum Fenster.
Ich hätte schwören können, daß dieser zweite Mann Godfrey war.
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Ich konnte zwar sein Gesicht nicht sehen, aber ich kenne die Linie seiner Schultern. Er saß da, dem Feuer zugewandt, und wie in großer Melancholie hatte er den Kopf auf die Ellenbogen gestützt. Ich zögerte noch und wußte nicht recht, wie ich mich verhalten sollte, aber plötzlich war Colonel Emsworth neben mir.
>Wollen Sie mir folgen, Sir!< sagte er mit gedämpfter Stimme. Schweigend ging er zum Haus, und ich folgte ihm. In der Halle nahm er einen Fahrplan zur Hand.
>Um 8.30 Uhr geht ein Zug nach London<, sagte er. >Um acht wird für Sie ein Wagen vor der Tür stehen.<
Er war weiß vor Wut und tatsächlich fühlte ich mich in einer derartig dämlichen Position, daß ich nur ein paar Entschuldigungen stammeln konnte. Ich versuchte mich damit zu entschuld igen, daß ich mir Sorgen um meinen Freund machte.
>Wir wollen darüber nicht weiter diskutieren<, unterbrach er mich barsch. >Sie sind auf eine verdammungswürdige Weise in die privaten Belange meiner Familie eingedrungen. Sie waren ein Gast im Haus und haben sich als ein Spion entpuppt. Ich habe nichts mehr zu sagen, Sir, ausgenommen, daß ich nicht wünsche, Sie jemals wiederzusehen.< Hier habe ich meinen Gleichmut verloren, Mr. Holmes, und ich bin wohl etwas hitzig gewo rden.
>Ich habe Ihren Sohn gesehen und ich bin überzeugt, daß Sie Ihre eigenen Gründe haben, ihn vor der Welt zu verstecken, Ich habe keine Ahnung, warum Sie ihn auf eine solche Weise von allen seinen Freunden fernhalten, aber ich bin überzeugt, daß er nicht mehr über sich selbst verfügen kann. Ich warne Sie, Colonel Emsworth, daß ich nicht aufhören werde, die Sache zu verfolgen, solange ich nicht weiß, daß mein Freund wohlauf ist und sich in Sicherheit befindet. Ich werde mich ganz gewiß nicht von Ihnen einschüchtern lassen.< Der alte Mann sah mich an wie den Teufel selber. Ich glaubte schon, er würde mich tätlich angreife n. Ich sagte ja schon, daß er ein hagerer, wilder alter Riese war, und obgleich ich auch kein Schwächling bin, wäre es mir schwergefallen, es gegen ihn aufzunehmen. Er starrte mich jedoch nur sehr lange zornig an, drehte sich dann auf dem Absatz um und verließ das Zimmer.
Was sollte ich machen? Ich nahm am anderen Morgen den angegebenen Zug. Aber ich hatte mir fest vorgenommen, sofort mit Ihnen Verbindung aufzunehmen und Ihren Rat einzuholen, wie ich es Ihnen ja bereits geschrieben habe.«
Da lag also das Problem meines Besuchers vor mir ausgebreitet. Es enthielt, wie der Leser inzwischen längst herausgefunden haben wird, keine großen Schwierigkeiten, denn um zur Lösung zu gelangen, gab es nur wenige Alternativen. Es war ein elementares Problem, enthielt aber doch neue und interessante Punkte. Und nur deshalb berichte ich über diesen Fall.
Ich fahre nun fort und benutze die mir übliche Methode der logischen Analyse, die die möglichen Lösungen eingrenzt.
»Die Hausangestellten«, sagte ich, »wie viele leben dort?«
»Soviel ich weiß, waren da nur der alte Butler und seine Frau. Sie leben dort sehr einfach. «
»Gab es in dem alleinstehenden Häuschen keinen Diener?«
»Nicht daß ich wüßte, denn den kleinen Mann mit dem Bart kann
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