Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
verschiedenen Schritten klar folgen und sie zeigen, wie exakt ihr Geist gearbeitet hat. Die Dinge wurden so manipuliert, daß Miß Dunbar eine Antwort schreiben mußte, die klar zeigte, daß sie die Szene des Verbrechens ausgewählt hatte. In ihrer Sorge, daß sie entdeckt werden könnte, übertrieb sie die Sache ein wenig, indem sie die Notiz bis zuletzt in der Hand behielt. Dies allein hätte meinen Verdacht schon früher wecken müssen.
Dann nahm sie einen Revolver ihres Mannes - Sie haben ja selber gesehen, daß ein ganzes Waffenarsenal im Haus war- den sie für ihren eigenen Gebrauch zurechtlegte. Einen gleichen versteckte sie am Morgen in Miß Dunbars Kleidern, nachdem sie vorher eine Kugel herausgeschossen hatte, was leicht und ohne aufzufallen, im Wald bewerkstelligt werden konnte. Dann ging sie zur Brücke, wo sie ihre geniale Selbstmordmethode vorbereitete. Als Miß Dunbar erschien, verbrauchte sie ihren letzten Atem damit, ihren ganzen Haß auf sie niederzuschütten. Und dann, als sie außerhalb der Hörweite war, führte sie ihre schreckliche Tat aus. Jedes Glied ist nun an seiner Stelle und die Kette geschlossen. Die Zeitungen könnten fragen, warum der See nicht gleich untersucht worden sei, aber es ist immer leicht, hinterher klug zu sein. In jedem Fall ist es auch gar nicht so einfach, einen so mit Pflanzen bestand enen See zu durchsuchen, wenn man nicht klar weiß, was man sucht und wo man suchen muß. Watson, wir haben einer bemerkenswerten Frau geholfen und einem bemerkenswerten Mann dazu.
Wenn sie sich in Zukunft zusammentun und das sieht ganz danach aus, dann mag die Finanz-welt finden, daß Mr. Neil Gibson durch sein Unglück etwas gelernt hat.«
Der kriechende Mann
Mr. Sherlock Holmes war immer der Meinung gewesen, daß ich die seltsamen Geschichten, die sich um Professor Presbury herumrankten, aufschreiben sollte, wenn auch nur zu dem Zwecke, um ein für allemal die häßlichen Gerüchte zu entkräften, die vor zwanzig Jahren in der Londoner Universität herumgeisterten und die gelehrte Gesellschaft in Lo ndon beunruhig-ten. Es wurden mir allerdings gewisse Schwierigkeiten in den Weg gelegt, und die wahre Geschichte blieb in einer der Blechbüchsen vergraben, die viele Aufzeichnungen und Berichte über Abenteuer meines Freundes enthielten. Nun haben wir wenigstens die Erlaubnis erwirkt, ein paar von den Faktoren aus einem von Sherlock Holmes' letzten Fällen zu lüften, bevor er sich aus dem tätigen Leben zurückzog. Sogar jetzt noch ist eine gewisse Zurückhaltung und Diskretion nötig, wenn die Sache der Öffentlichkeit vorgelegt werden soll.
Es war an einem Sonntagabend im frühen September des Jahres 1903, als ich eine von Ho lmes' lakonischen Botschaften erhielt:
Bitte kommen Sie, wenn es möglich ist - wenn es unmöglich ist, kommen Sie trotzdem. S. H.
Die Beziehungen zwischen ihm und mir um jene Zeit waren seltsam. Er war ein Mensch mit Gewohnheiten, festen, enggefaßten und konzentrierten Gewohnheiten und ich war zu einer dieser Gewohnheiten geworden. Wie eine Institution gehörte ich in die gleiche Kategorie wie seine Violine, seine Tabakmarke, die alten schwarzen Pfeifen, die Indexbücher und andere vielleicht weniger entschuldbare Requisiten seines Lebens. Wenn er in einem aktiven Fall einen Freund und Kameraden brauchte, auf dessen Nerven er sich verlassen konnte, dann war es klar, was meine Rolle war. Aber abgesehen davon hatte ich andere Funktionen. Ich war der Wetzstein für seinen Geist. Ich stimulierte ihn. Er liebte es, in meiner Gegenwart laut zu denken. Man kann kaum sagen, daß seine Bemerkungen an mich gerichtet waren - viele von ihnen hätte er genauso gut an sein Bettgestell richten können - aber nichtsdestoweniger war es eine Gewohnheit geworden und es war ihm eine Hilfe, daß ich Dinge registrierte und reagie r-te. Wenn ich ihn durch eine gewisse methodische Langsamkeit, die zu meinem Wesen gehört, irritierte, dann diente diese Irritation nur dazu, seine eigene flammengleiche Intuition und Eindrucksfähigkeit um so lebendiger und schneller aufleuchten zu lassen. Dieser Art war meine schlichte Rolle in unserer Verbindung.
Als ich in der Baker Street ankam, fand ich ihn zusammengekuschelt in seinem Lehnsessel, seine Knie hochgezogen, seine Pfeife im Mund und seine Brauen in tiefen Gedanken zusammen-gezogen. Es war klar, daß er sich mitten in einem nervenaufreibendem Problem befand.
Mit einer Handbewegung wies er mir meinen alten Sessel an. Aber ansonsten
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