Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
Sergeant, der viele argwöhnische Blicke auf meinen Freund warf und an dessen Verstand zu zweifeln schien, schlich an unserer Seite dahin. Wir erreichten den Platz, wo das Verbrechen stattgefunden hatte. Ich konnte sehen, wie mein Freund unter seinem kühlen Äußeren innerlich stark erregt war.
»Ja «, sagte er als Antwort auf eine meiner Bemerkungen, »Sie haben vorhin gesehen, wie ich mein Ziel verfehlt habe, Watson. Ich habe einen Instinkt für solche Dinge, aber irgend etwas ist hier falsch gelaufen. Als es mir zuerst in den Sinn kam, in der Zelle in Winchester, da wurde es mir zur reinen Gewißheit, aber der Nachteil eines aktiven Geistes ist es, sich alternative Möglichkeiten auszudenken, die aus der Spur, die wir zu haben meinen, einen Holzweg machen, der nicht weiterführt - und doch... Nun ja, Watson, wir können es wenigstens einmal versuchen.«
Als wir dahin gingen, hatte er das eine Ende des Bindfadens fest um den Griff des Revolvers verknotet. Kurz danach waren wir am Ort der Tragödie angekommen. Mit Hilfe des Polizisten suchte er sehr sorgfältig nach der genauen Stelle, wo die Leiche gelegen hatte. Dann suchte er unter den Farnen so lange, bis er einen ziemlich großen Stein gefunden hatte. Diesen band er mit dem anderen Ende des Fadens zusammen und hing ihn über das Mäuerchen der Brücke, so daß er nahe über dem Wasser hin- und herpendelte. Dann stellte er sich auf die schicksal-hafte Stelle, ein Stückchen vom Ende der Brücke entfernt, meinen Revolver hatte er in der Hand, den Bindfaden straff gezogen zwischen der Waffe und dem schweren Stein auf der anderen Seite.
»Nun los!« schrie er.
Bei diesen Worten hob er die Pistole an seinen Kopf und ließ den Griff los. In diesem Auge nblick war sie durch das Gewicht des Steines zurückgezogen worden. Der Stein war mit einem scharfen Knall gegen die Mauer gesaust und auf der anderen Seite im Wasser verschwunden.
Er war kaum verschwunden, als Holmes auch schon neben der Steinmauer kniete und einen freudigen Schrei ausstieß. Er hatte herausgefunden, wonach er gesucht hatte.
»Haben Sie je eine exaktere Demonstration gesehen?« rief er. »Sehen Sie, Watson, Ihr Revo lver hat das Problem gelöst!« Er wies auf eine zweite ausgeschlagene Stelle im Stein hin, die die gleiche Größe und Form der ersten Stelle unter der Steinbalustrade hatte.
»Wir werden über Nacht im Gasthaus bleiben«, fuhr er fort, als er aufstand und den erstaunten Sergeanten ansah. »Sie werden natürlich mit Fischerhaken kommen und meines Freundes Revolver wieder ans Tageslicht befördern. Daneben werden Sie sicherlich ebenso leicht den Revolver samt Faden und Gewicht finden, mit dem diese rachsüchtige Frau versucht hat, ihr eigenes Verbrechen zu vertuschen und so den Mordverdacht auf ihr unschuldiges Opfer zu lenken. Sie können Mr. Gibson wissen lassen, daß ich ihn am Morgen aufsuchen werde. Dann können die nächsten Schritte unternommen werden. Miß Dunbar freizubekommen. «
Spät am Abend saßen wir zusammen im Gasthof und rauchten unsere Pfeifen. Holmes gab mir einen kurzen Überblick von den Ereignissen.
»Watson«, sagte er, »ich fürchte, dieser Fall wird mir nicht zur Ehre gereichen, wenn Sie ihn Ihren Annalen einverleiben. Mein Geist hat zu langsam reagiert und mir hat diesmal die Mischung aus Imagination und Realität gefehlt, welche die Basis für meine Kunst sind. Ich gebe zu, daß diese herausgebrochene Stelle im Mauerwerk ein ausreichender Hinweis für die Wahrheit gewesen wäre und daß ich mich schuldig fühle, daß ich ihn nicht früher beachtet habe.
Der Geist dieser unglücklichen Frau hat gewiß sehr tiefgründig und fein gearbeitet, so daß es keine ganz einfache Sache war, das Knäuel zu entwirren. Ich glaube, daß wir noch keinen solchen Fall gehabt haben, in dem uns so deutlich vor Augen geführt wurde, was pervertierte Liebe zustande bringen kann. Ob Miß Dunbar ihre Rivalin in einem physischen Sinn gewesen ist oder nur mentale Freundschaft bestanden hat, beides war in ihren Augen gleich unverzeih-lich. Ganz sicherlich hat sie das unschuldige Mädchen für die harte Behandlung verantwort-lich gemacht, mit der ihr Mann ihre zu großen Emotionen niederzudrücken versuchte. Ihr erster Plan war, ihrem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Dann kam ihr die Idee, es auf eine solche Weise zu tun, daß ihr Opfer in ihr Schicksal verwoben würde und zwar auf schlimmere Weise, als ein plötzlicher Tod es hätte erreichen können.
Wir können den
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