Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel

Titel: Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda

Vom Netzwerk:

zerrissene Hose.
    „Ich bin Arzt“, sagte ich beruhigend, als ich neben ihm niederkniete. „Zeigen Sie mal. Ich helfe Ihnen, Sir, nur die Ruhe.“ Der angeschlagene Kutscher nickte dankbar. „Gut dasse da sin, Dochtor“, brummte er. „War’n verdammt hässlicher Unfall.“ Er stöhnte, als er sich leicht bewegte. „Glaub, die Schulter hat mehr als
    ’n bisschen weas abgekricht, Dochtor.“
    Ich half ihm vorsichtig auf die Beine und stützte ihn, als er taumelte. Dann führte ich ihn von der Straße.
    „Wir heißen Sie, Mister?“, fragte ich, um den Mann von seinen Schmerzen abzulenken. Es hat sich seit jeher bewährt, Patienten mit einfachen Fragen zu beschäftigen, um das wahre Ausmaß ihrer Verletzungen vor ihnen zu verbergen und sie nicht an den Schmerz oder gar die Ohnmacht zu verlieren.
    Und eine ausgekugelte Schulter bereitete Schmerzen, so viel stand fest.
    „Meine Freunde nenn’n mich Netley, Dochtor.“ Der alte Kutscher atmete tief durch und gab einen Schmerzenslaut von sich. Zu meinem Erstaunen fügte er dann jedoch mit der Stimme von Sherlock Holmes hinzu: „Sie dürfen mich aber weiterhin Holmes nennen, Watson ...“

    „Seien Sie so gut und geben Sie mir einen Schluck Whisky, bevor Sie anfangen“, sagte mein Mitbewohner und wedelte vage mit der unverletzten rechten Hand, nachdem uns eine Droschke sicher zurück zur Baker Street gebracht hatte, wo ich sofort nach meiner Arzttasche griff. Zuvor hatte Holmes mir klar zu verstehen gegeben, dass er keine Zeit hätte, in ein Krankenhaus zu gehen, und ich mich nicht so anstellen solle – schließlich sind Sie doch Arzt, Watson, oder sehen Sie sich heute nur noch als Schriftsteller?
    „Oder noch besser“, fügte Holmes jetzt wesentlich milder hinzu, die Gehässigkeit von den Schmerzen ausgenüchtert, „gleich etwas von meinem Morphiumvorrat.“
    „Was haben Sie sich nur dabei gedacht, Holmes?“, fragte ich und ignorierte seine Bitte, während ich meine Utensilien wie ein Feldscher auf dem Wohnzimmertisch ausbreitete und mir die Hemdsärmel nach hinten wickelte. „In solchen Zeiten den Kutscher spielen! Sie müssen lebensmüde sein!“
    „Keineswegs, alter Freund“, meinte Holmes, der noch blasser war als sonst. Man sah, dass er wahnsinnige Schmerzen hatte – ich würde wohl oder übel mit dem Einrenken der ausgekugelten Schulter beginnen müssen, so gern ich zunächst die blutenden Wunden desinfiziert hätte.
    In Afghanistan hätte es da keine Diskussion gegeben. Im ebenfalls drückend heißen Dschungel des sommerlichen, von übel riechenden gelben Nebelschwaden beherrschten London gab es die allerdings sehr wohl. „Das wird kein Spaziergang“, warnte ich meinen Freund, als ich nach dem bleichen Handgelenk des Detektivs griff und meine andere Hand auf seine Schulter legte. Holmes zuckte leicht zusammen, nickte jedoch gleichgültig. Er atmete tief durch und schloss die Augen.
    Ich hoffte, dass die Atemtechniken, die er irgendwo an den eisigen Hängen des Himalajas in einem einsamen Kloster gelernt hatte, ihm nun wirklich helfen würden.
    Ich für meinen Teil war in den nächsten Minuten vor allem froh, dass Mrs Hudson dieser Tage eine Cousine in Sussex besuchte und Holmes’ Schreie nicht hörte.

    „Mir war klar, dass ich mich in den Mittelpunkt der Angelegenheit begeben musste, um sie aufzuklären“, berichtete Holmes später, als er mit geschienten Fingern, dick verbundener Hand, von fest gezurrten Binden gestütztem Oberkörper und diversen Pflastern am ganzen Leib ausgestreckt auf dem Sofa lag, den Oberarm auf die Stirn gelegt. Mit meiner Hilfe war er zuvor aus seiner Kutscher-Verkleidung und dafür in seinen Hausmantel geschlüpft. Außerdem hatte ich ein Telegramm mit einer codierten Nachricht an Mycroft in den Diogenes Club schicken müssen. „Dieser Fall würde nur aus dem Auge des Sturms heraus zu lösen sein. Also bewarb ich mich bei Gull Ltd. als Kutscher und wurde auch prompt eingestellt – es gibt nach den vielen Unfällen einen nicht gedeckten Bedarf an Kutschern in der Stadt, und Mycroft hat für gute Referenzen aus Dublin gesorgt.“
    „Scheint dieser Tage ein gefährlicher Beruf zu sein“, bemerkte ich trocken. Wie immer war ich nicht besonders glücklich darüber, dass sich mein Freund wegen eines Falles wissentlich selbst in Gefahr gebracht hatte.
    Holmes lächelte matt. „Zwei Tage ging alles gut, Watson. Ich gab einen prächtigen Kutscher ab, das können Sie mir glauben! Ich lieferte die Waren zuverlässig