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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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Giebeldach und die hohen Kamine scharf vom silberbestreuten Nachthimmel sich abhebend. Breite Lichtstreifen ergossen sich goldig aus den Fenstern des Erdgeschosses über den Garten und das Moor. Mit einem Mal verschwand einer von diesen Streifen – die Dienstboten hatten die Küche verlassen. Nur noch das Speisezimmer blieb hell; dort saßen die beiden Männer, der mordsinnende Wirt und der ahnungslose Gast, und plauderten bei Wein und Zigarren.
    Mit jeder Minute schob die weiße, wolkige Fläche, die bereits die Hälfte des Moores bedeckte, sich näher und näher an das Haus heran. Schon kräuselten sich die ersten feinen Ausläufer des Nebels vor dem goldenen Viereck des erleuchteten Fensters. Die rückseitige Mauer des Baumgartens war bereits unsichtbar, und die Bäume erhoben sich aus einem brodelnden weißen Dampf in die Luft. Und schon wälzten sich Nebelstreifen um die Ecke des Hauses herum und vereinigten sich allmählich zu einer dichten, glatt abgeschnittenen Wolke, über welcher das obere Stockwerk und das Dach des Hauses wie ein Gespensterschiff auf seltsamem Meer schwammen. Holmes schlug aufgeregt mit der Faust auf den Felsen, hinter welchem wir uns versteckt hatten und stampfte vor Ungeduld mit dem Fuß.
    »Wenn er nicht binnen einer Viertelstunde draußen ist, wird der Fußweg bedeckt sein. In einer halben Stunde können wir keine Hand mehr vor Augen sehen.«
    »Sollen wir uns nicht ein Stück Weges zurückziehen? Hinter uns steigt der Grund an.«
    »Ja, das wird wohl das Beste sein.«
    Wir gingen also, vor der Nebelbank allmählich zurückweichend, weiter aufs Moor hinaus, bis wir etwa tausend Schritte vom Haus entfernt waren – und immer noch kroch die weiße Masse mit der mondbeglänzten Oberfläche näher an uns heran, unerbittlich immer näher!
    »Wir gehen zu weit!«, sagte Holmes. »Wir dürfen es nicht darauf ankommen lassen, dass er eingeholt wird, bevor er unser Versteck erreicht hat. Hier, wo wir jetzt sind, müssen wir auf alle Fälle bleiben.« Er ließ sich auf die Knie nieder und hielt das eine Ohr an den Erdboden. »Gott sei Dank! Ich glaube, ich höre ihn kommen!«
    Wirklich wurden jetzt schnelle Schritte in der Stille des Moors hörbar. Uns an die Felsblöcke anschmiegend, beobachteten wir mit gespanntester Erwartung die schimmernde Nebelbank, die vor uns lag. Und jetzt trat, wie wenn er einen Vorhang zerteilte, aus dem weißen Nebel heraus der Mann, auf den wir warteten. Er blickte sich überrascht um, als er plötzlich die klare, sternenbeglänzte Nachtlandschaft vor sich sah. Dann eilte er schnellen Schrittes auf dem Pfad dahin, an unserem Versteck vorbei und den Hügel hinauf, der sich sanft ansteigend hinter uns erstreckte. Während er vorwärts eilte, sah er beständig bald über die eine, bald über die andere Schulter nach hinten. Augenscheinlich war ihm unbehaglich zu Mute.
    »Sst!«, rief plötzlich Holmes, und ich hörte ein scharfes Knacken; er hatte den Hahn seines Revolvers gespannt. »Aufgepasst! Es kommt!«
    Mitten in der heranschleichenden Nebelmasse hörten wir ein scharfes, schnelles Getrappel. Die Wolke lag fünfzig Schritte vor uns und wir starrten alle drei auf die weiße Fläche. Was für ein Gräuel würde aus ihr hervorbrechen? Ich lag an Holmes’ Ellbogen und warf einen schnellen Blick auf sein Gesicht. Er war bleich, aber offenbar frohlockte er innerlich; seine Augen funkelten hell im Mondenschein. Plötzlich aber stierte er entsetzt vorwärts und seine Lippen öffneten sich in maßlosem Erstaunen. Im selben Augenblick stieß Lestrade einen Schrei des Entsetzens aus und fiel mit dem Gesicht auf die Erde. Ich sprang auf; meine zitternde Hand umklammerte den Revolver, aber ich konnte nicht schießen, mein Geist war gelähmt von dem Anblick des grausigen Geschöpfes, das aus dem Nebel hervorgesprungen kam.
    Es war ein Hund, ein riesiger kohlschwarzer Hund, aber ein Hund, wie keines Menschen Augen ihn jemals gesehen haben. Feuer sprühte aus dem offenen Rachen hervor, die Augen glühten, Lefzen und Wampe waren von hellem Glanz umloht. Ein Wahnsinniger könnte in seinen Fieberträumen kein wilderes, grausigeres Ungeheuer sich vorstellen; wie ein Geschöpf der Hölle brach die schwarze Bestie aus dem weißen Dampf hervor.
    In langen Sätzen sprang der riesige schwarze Hund den schmalen Weg entlang; die Nase dicht über dem Erdboden haltend, folgte er den Fußspuren unseres Freundes. Wir waren durch diese Erscheinung wie gelähmt, und ehe wir unsere Besinnung

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