Sherlock Holmes - gesammelte Werke
schwere Stock, der ihm als Waffe diente, und die Krawatte in des Toten Hand liefern genug Verdachtsgründe, um ihn vor die Geschworenen zu bringen.«
Holmes schüttelte den Kopf. »Ein geschickter Anwalt würde dies ganze Gewebe in Fetzen reißen«, sagte er. »Warum brauchte er das Pferd aus dem Stall zu führen? Hätte er ihm nicht ebenso gut dort einen Schaden zufügen können? Hat man einen Nachschlüssel bei ihm gefunden? Welcher Apotheker hat ihm das Opiumpulver verkauft? Und vor allem – wo hätte ein Mensch, der in hiesiger Gegend fremd ist, ein solches Pferd verbergen können? – Wie lautet denn seine eigene Aussage über das Papier, welches das Mädchen dem Stallknecht geben sollte?«
»Er sagt, es sei eine Zehnpfundnote gewesen. Eine solche fand sich auch in seinem Geldbeutel. Übrigens lassen sich Ihre anderen Einwürfe samt und sonders entkräften. Die Umgegend ist ihm bekannt, da er im Sommer zweimal in Tavistock übernachtete. Das Opium kann er von London mitgebracht haben. Den Nachschlüssel hat er natürlich weggeworfen, sobald er ihn nicht mehr brauchte. Das Pferd liegt vielleicht irgendwo im Moor auf dem Grund eines alten Schachts.«
»Was sagt er über die Krawatte?«
»Er gibt zu, dass sie ihm gehört, und behauptet, er habe sie verloren. Inzwischen ist ein neuer Verdacht aufgetaucht, der uns vielleicht eine Aufklärung bringt, weshalb Simpson das Pferd aus dem Stall geführt hat.«
Holmes horchte hoch auf.
»Wir haben Spuren gefunden, welche beweisen, dass eine Zigeunerbande am Montagabend eine Meile von dem Schauplatz des Mordes entfernt ihr Lager hatte. Am Dienstag früh war die Bande verschwunden. Kann nicht Simpson im Einvernehmen mit diesen Leuten gestanden haben und im Begriff gewesen sein, ihnen das Pferd zuzuführen, als er sich verfolgt sah? Vielleicht ist es noch in ihrem Besitz?«
»Unmöglich wäre das nicht.«
»Man durchstreift das Moor nach den Zigeunern. Auch habe ich jeden Stall und jedes Hintergebäude in Tavistock und zehn Meilen in der Runde untersuchen lassen.«
»Ich höre, dass noch ein Besitzer von Rennpferden seine Stallungen hier ganz in der Nähe hat.«
»Jawohl, und diesen Umstand dürfen wir nicht aus den Augen lassen. Da der Renner Desborough das zweite Pferd war, auf das gewettet wurde, hatten die Leute dort ein großes Interesse an dem Verschwinden des Favoriten. Silas Brown, der Stallmeister, soll hohe Wetten eingegangen sein, und er war dem armen Straker nicht wohlgesinnt. Übrigens haben wir die Ställe durchsucht und nichts gefunden, was mit der Angelegenheit zusammenhängt.«
»Auch kein Anzeichen, dass Simpson mit dem Stallmeister von Mapleton in irgendwelcher Verbindung steht?«
»Nicht das geringste.«
Holmes lehnte sich in den Wagen zurück, und die Unterhaltung stockte. Wenige Minuten später hielt der Kutscher vor einem hübschen kleinen Landhaus aus roten Ziegelsteinen mit vorspringendem Giebel, das dicht am Weg stand. In einiger Entfernung davon, jenseits einer Umfriedung, lag ein langes, mit grauem Schiefer gedecktes Gebäude. Nach allen anderen Richtungen dehnte sich, so weit das Auge reichte, der wellenförmige Boden des Moors aus, dem das welke Farnkraut eine Bronzefärbung verlieh. Nur die Kirchtürme von Tavistock und nach Westen zu eine Anzahl Häuser, die um die Stallungen von Mapleton herlagen, unterbrachen den einförmigen Horizont. Wir sprangen alle aus dem Wagen, Holmes allein lehnte noch in seiner Ecke; er starrte unverwandt ins Weite und schien ganz in Gedanken versunken. Als ich seinen Arm berührte, fuhr er heftig zusammen, raffte sich empor und stieg gleichfalls aus.
»Entschuldigen Sie«, sagte er zu Oberst Ross, der ihn verwundert ansah, »ich habe bei hellem Tag geträumt.« Aber ein gewisses Leuchten seiner Augen und die geheime Erregung in seinem ganzen Wesen überzeugten mich, der ich seine Art kannte, dass er dem Geheimnis auf der Spur sei, wiewohl ich keine Ahnung hatte, wo er den Schlüssel gefunden haben könne.
»Vielleicht möchten Sie gleich weiterfahren, Mr Holmes, um den Schauplatz des Verbrechens zu besichtigen?«, fragte Gregory.
»Es wäre mir lieber, eine Weile hierzubleiben, um erst noch über einige Einzelheiten ins Klare zu kommen. Vermutlich ist Straker hierhergeschafft worden?«
»Ja, er liegt im oberen Stock. Morgen soll die Totenschau stattfinden.«
»Nicht wahr, er stand schon seit mehreren Jahren in Ihrem Dienst, Herr Oberst?«
»Ja, und ich war stets außerordentlich zufrieden mit
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