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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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aus einem schwarzen, mit Seide eingefassten Rock, schwarzer Weste mit goldener Kette, grauem Beinkleid und braunen Gamaschen über den Stiefeln mit Gummizügen. Der Vermisste arbeitete in einem Geschäft in Leadenhall Street; wer über ihn irgendwelche Angaben usw.«
    »Das genügt«, sagte Holmes, und nachdem er die Briefe überflogen, meinte er: »Höchst alltäglich; Mr Angel zitiert Balzac, das ist das einzig Bemerkenswerte. Und doch wird auch Ihnen ein Umstand auffallen.«
    »Dass die Briefe mit der Maschine geschrieben sind«, erwiderte ich.
    »Nicht allein das, sondern auch die Unterschrift ist Typenschrift. Sieh, wie sauber hier unten das ›Hosmer Angel‹ steht. Hier ist ein Datum, aber keine genaue Ortsangabe, denn ›Leadenhall Street‹ allein kann nicht genügen. Diese Unterschrift lässt auf vieles schließen – ja sie ist maßgebend.«
    »Wofür?«
    »Sehen Sie wirklich nicht ein, wie schwer das ins Gewicht fällt, alter Junge?«
    »Ehrlich gesagt, nein, es sei denn, der Schreiber hoffte, auf diese Weise seiner Unterschrift abschwören zu können, falls er wegen Bruchs des Eheversprechens zur Rechenschaft gezogen würde.«
    »Nein, das hatte er schwerlich im Auge. Indessen will ich zur Aufklärung des Sachverhalts zwei Briefe schreiben, den einen an eine Firma in der City, den anderen an Mr Windibank, den Stiefvater der jungen Dame; Letzteren will ich bitten, morgen Abend um sechs Uhr bei mir vorzusprechen. Es ist geratener, die Sache mit dem männlichen Teil der Familie zu verhandeln. Bis die Antworten auf diese Briefe da sind, ist weiter nichts zu tun, Doktor, und so wollen wir die Sache bis dahin auf sich beruhen lassen.«
    Ich kannte meinen Freund durch und durch; bei dem Scharfsinn und der Energie, womit er alles betrieb, wusste ich, dass er bereits in der Lage war, das merkwürdige Geheimnis, das ihm anvertraut worden, klar und sicher zu durchschauen. Nur ein einziges Mal erinnere ich mich – es war mit der Fotografie der Irene Adler –, dass er fehlging, sonst hatte er jederzeit Licht und Klarheit in die denkbar verwickeltsten Fälle gebracht.
    So verließ ich denn Sherlock Holmes, der noch immer aus seiner Tonpfeife paffte, mit der Überzeugung, er werde bereits am nächsten Abend Miss Mary Sutherlands verschollenen Bräutigam aufgefunden und identifiziert haben.
    Ein schwerkranker Patient nahm mich zurzeit völlig in Anspruch, und ich konnte am nächsten Abend erst gegen sechs Uhr zur Baker Street fahren; schon fürchtete ich zu spät zu kommen, um der Aufklärung des Rätsels noch beizuwohnen. Ich fand aber Sherlock Holmes allein; er lag halb schlafend im Lehnstuhl. Ein ganzes Regiment von Flaschen, Röhren und Tiegeln und der scharfe Geruch von allerhand Säuren wiesen darauf hin, dass er sich eifrig mit chemischen Untersuchungen abgegeben hatte, was eine Liebhaberei von ihm war.
    »Haben Sie die Lösung gefunden?«, fragte ich eintretend.
    »Ja. Es war schwefelsaurer Baryt.«
    »Nein, nein – ich meine das Rätsel!«
    »Ach so! Das! Ich dachte nur an das analysierte Salz. Rätselhaft ist in der Sache gar nichts, wenn ich auch gestern einige Einzelheiten interessant nannte. Es ist nur bedauerlich, dass wohl kein Gericht dem Spitzbuben etwas anhaben kann.«
    »Wer ist es denn, und was bezweckte er, indem er Miss Sutherland sitzenließ?«
    Ich hatte kaum ausgesprochen und Holmes noch nicht geantwortet, als sich auf dem Flur ein schwerer Tritt vernehmen ließ und an die Tür geklopft wurde.
    »Das ist Windibank, der Stiefvater«, sagte Holmes. »Er schrieb mir, er würde sich um sechs Uhr bei mir einfinden. Herein!«
    Der Eintretende, ein handfester, mittelgroßer Mann von etwa dreißig Jahren, war glatt rasiert, hatte eine gelbliche Gesichtsfarbe und ein paar auffallend lebendige, durchbohrende graue Augen; sein Wesen war verbindlich, fast untertänig. Er warf einen fragenden Blick auf uns, stellte seinen glänzenden Seidenhut auf den Nebentisch und nahm mit einer leichten Verbeugung auf dem nächsten Stuhl Platz.
    »Guten Abend, Mr Windibank«, empfing ihn Holmes. »Ich setze voraus, dass dieser mit der Maschine geschriebene Brief, wodurch Sie sich auf sechs Uhr anmelden, von Ihnen stammt.«
    »Ganz recht. Fast fürchte ich, mich etwas verspätet zu haben, doch bin ich nicht ganz Herr meiner Zeit. Ich bedaure, dass Miss Sutherland Sie mit dieser Kleinigkeit belästigt hat – schmutzige Wäsche wäscht man am besten zu Hause. Sie kam gegen meinen Wunsch und Willen; Sie haben wohl

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