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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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kommen der Sache auf den Grund.«
    Der Polizeiinspektor saß noch im Empfangszimmer und schrieb.
    »Sie machen Ihren Bericht?«, unterbrach ihn Holmes.
    »Jawohl, das tue ich.«
    »Meiner Meinung nach ist es noch etwas zu früh; ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, Ihr Beweis hat eine Lücke.«
    Lestrade kannte meinen Freund zu gut, um seine Worte nicht zu beachten. Er legte die Feder beiseite und blickte ihn gespannt an.
    »Was wollen Sie damit sagen, Mr Holmes?«
    »Ich meine nur, dass Sie einen wichtigen Zeugen noch nicht vernommen haben.«
    »Können Sie ihn beibringen?«
    »Ich glaube, ich kann’s.«
    »Dann tun Sie’s doch!«
    »Ich will’s versuchen. Wie viele Polizisten haben Sie hier?«
    »Drei stehen Ihnen zur Verfügung.«
    »Schön«, sagte Holmes. »Darf ich fragen, ob es kräftige Männer mit guten Lungen sind?«
    »Ich zweifle nicht daran; aber ich sehe vorläufig nicht ein, was die Beschaffenheit ihrer Lungen mit der Sache zu tun hat.«
    »Das werden Sie bald erfahren, und hoffentlich noch viel mehr«, antwortete Holmes.
    »Rufen Sie bitte Ihre Leute. Ich will das Experiment beginnen.«
    Nach fünf Minuten waren die drei Schutzleute zur Stelle.
    »Im Nebengebäude werden Sie eine größere Menge Stroh vorfinden. Wollen Sie bitte zwei Bund davon hierherbringen«, sagte Holmes. »Ich glaube, es wird uns zur Herbeischaffung des fehlenden Zeugen vortreffliche Dienste leisten. – Recht so. Ich danke Ihnen bestens. Haben Sie Streichhölzer, Watson? Nun, Mr Lestrade, bitte ich Sie und Ihre Leute, mit mir auf den oberen Korridor zu kommen.«
    Wie ich erwähnt habe, mündeten auf diesen geräumigen Vorplatz drei leere Kammern. Holmes gebot uns, recht still zu sein, und dirigierte uns alle an das eine Ende. Die Polizisten grinsten, und Lestrade starrte meinen Freund erstaunt an. In seinem Gesicht wechselten der Ausdruck der Verwunderung, der Erwartung und des Spottes miteinander ab. Holmes stand vor uns wie ein Zauberer, der ein Kunststück zeigen will.
    »Wollen Sie so gut sein und einen Mann zwei Gießkannen voll Wasser holen lassen? Legen Sie das Stroh hier mitten auf den Boden, sodass es die Wand nicht berührt. Nun sind wir mit den Vorbereitungen wohl fertig.«
    Lestrade fing an, ärgerlich zu werden.
    »Ich weiß nicht, ob Sie sich einen Scherz mit mir erlauben wollen, Mr Holmes«, sagte er. »Wenn Sie etwas wissen, so können Sie es auch ohne diesen Hokuspokus sagen.«
    »Ich kann Ihnen die Versicherung geben, mein lieber Lestrade, dass ich für alles, was ich tue, meine guten Gründe habe. Sie können sich vielleicht entsinnen, dass Sie mich vor ein paar Stunden, als Ihnen das Glück zu lächeln schien, auch ein wenig neckten, nun dürfen Sie mir das bisschen Zeremoniell aber auch nicht gleich übelnehmen. Wollen Sie nun das Fenster dort aufmachen, Watson, und das Stroh anzünden?«
    Ich tat, was er mich geheißen hatte. Infolge des Zuges erhob sich bald eine dicke graue Rauchwolke, das trockene Stroh prasselte, und die hellen Flammen schlugen empor.
    »Nun müssen wir sehen, ob Ihr Zeuge herauskommt, Lestrade. Darf ich Sie bitten, gleichzeitig mit mir in den Ruf ›Feuer!‹ auszubrechen? Also: eins, zwei, drei ...«
    »Feuer!«, schrien wir alle.
    »Danke Ihnen. Ich muss Sie noch einmal bemühen.«
    »Feuer!«
    »Nun zum dritten Mal, meine Herren, so laut Sie können ...«
    »Feuer!« Ganz Norwood muss es gehört haben.
    Der Ruf war kaum verhallt, als etwas Ungeahntes eintrat. An der scheinbar soliden Wand am Ende des Korridors tat sich plötzlich eine Tür auf, und hervor stürzte, wie ein Kaninchen aus seinem Loch, ein kleines, schmächtiges Männlein mit grauem Haar und weißen Wimpern.
    »Ausgezeichnet!«, rief Holmes. »Watson, einen Eimer Wasser aufs Stroh! Gut so! – Mr Lestrade, erlauben Sie, dass ich Ihnen den fehlenden Hauptzeugen vorstelle, Mr Jonas Oldacre.«
    Das kleine Männchen blinzelte, geblendet von dem hellen Tageslicht, unaufhörlich mit den Augen, und guckte bald uns an, bald das qualmende Stroh. Er hatte ein widerwärtiges Gesicht – verschmitzt und bösartig – und hellgraue, listige Augen.
    Der Inspektor starrte die geisterhafte Erscheinung sprachlos an. Nach einer Weile fand er endlich wieder Worte.
    »Was soll denn das heißen?«, sagte er. »Wo haben Sie denn die ganze Zeit gesteckt, he?«
    Oldacre fuhr zurück vor dem zorngeröteten Gesicht des Inspektors und erwiderte dann mit erzwungenem Lächeln:
    »Ich hab nichts Böses getan.«
    »Nichts Böses? Sie

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