Sherlock Holmes - gesammelte Werke
gearbeitet, und ich glaube, auch genug erreicht. Es ist noch ein tüchtiger Marsch zur Schule, und je früher wir uns auf den Weg machen, umso besser.«
Während unserer mühseligen Wanderung über das Moor sprach er kein Wort, er ging auch nicht in die Klosterschule, als wir ankamen, sondern zunächst zur Station Mackleton, wo er einige Depeschen aufgeben konnte. Spät in der Nacht hörte ich ihn noch den Direktor Huxtable trösten, der durch das traurige Ende seines Lehrers tief erschüttert worden war, und noch später kam er ebenso munter und kräftig in mein Zimmer, wie er am Morgen beim Aufbruch gewesen war. »Es geht alles gut, lieber Freund«, sagte er zu mir. »Ich verspreche Ihnen, dass wir vor morgen Abend das Geheimnis aufgedeckt haben.«
Am nächsten Morgen um elf Uhr wandelten wir durch die berühmte Taxusallee von Holdernesse Hall. Wir wurden durch den prächtigen Elisabetheingang in das Arbeitszimmer des Herzogs geführt.
Dort fanden wir Mr Wilder. Er war bescheiden und höflich, aber in seinen Augen und Zügen lag noch eine Spur des Schreckens von der vorhergehenden Nacht.
»Sie wünschen Seine Hoheit zu sprechen? Es tut mir leid; aber der Herzog ist tatsächlich durchaus nicht wohl. Er ist durch die tragische Neuigkeit von gestern sehr aufgeregt worden. Wir erhielten am Nachmittag ein Telegramm von Direktor Huxtable, worin er uns Ihre Entdeckung mitteilte.«
»Ich muss aber den Herzog sehen, Mr Wilder.«
»Er ist noch in seinem Schlafzimmer.«
»Dann will ich ihn dort sprechen.«
»Ich glaube, er liegt sogar noch zu Bett.«
»So will ich ihn dort sprechen.«
Das kalte und unerschütterliche Wesen meines Freundes mochte dem Sekretär wohl sagen, dass es nutzlos sei, weitere Einwendungen zu machen.
»Also gut, Mr Holmes; ich werde ihm sagen, dass Sie hier sind.«
Nach etwa einer halben Stunde trat der Minister herein. Sein Gesicht war leichenähnlicher als je zuvor, er ging niedergebeugt und machte mir einen viel älteren Eindruck als am ersten Tag. Er begrüßte uns höflich und setzte sich an seinen Schreibtisch, sodass sein roter Bart auf die Tischplatte herabhing.
»Nun, Mr Holmes?«, begann er.
Mein Freund fasste jedoch den Sekretär scharf ins Auge, welcher neben dem Stuhl seines Herrn stand.
»Ich würde in der Abwesenheit des Mr Wilder freier sprechen können, Hoheit.«
Der Sekretär wurde noch einen Ton weißer und warf meinem Freund einen bösartigen Blick zu.
»Wenn Eure Hoheit wünschen ...«
»Ja, ja; es ist besser, wenn Sie gehen. Nun, Mr Holmes, was haben Sie mir mitzuteilen?«
Mein Freund wartete, bis sich hinter dem abtretenden Sekretär die Tür geschlossen hatte, dann antwortete er:
»Mr Huxtable hat meinem Kollegen Doktor Watson und mir die Mitteilung gemacht, dass Euere Hoheit eine Belohnung in diesem Fall ausgesetzt hätten. Ich möchte das von Ihnen selbst bestätigt haben.«
»Gewiss, Mr Holmes.«
»Sie belief sich, wenn ich recht unterrichtet bin, auf fünftausend Pfund für denjenigen, der Ihnen angeben kann, wo sich Ihr Sohn aufhält?«
»Sehr richtig.«
»Und weitere tausend Pfund demjenigen, der Ihnen die Person oder die Personen namhaft macht, die ihn verborgen halten?«
»Jawohl.«
»Darunter sind doch sicher nicht nur diejenigen verstanden, die ihn entführt haben, sondern auch diejenigen, die ihn jetzt eventuell festhalten?«
»Allerdings, natürlich«, rief der Herzog ungeduldig. »Wenn Sie Ihre Sache gut machen, werden Sie sich bei mir nicht über Knauserei zu beklagen haben.«
Mein Freund rieb sich die mageren Hände und zeigte eine Begehrlichkeit, die mich überraschte, weil ich seine Anspruchslosigkeit kannte.
»Ich glaube, Ihrer Hoheit Scheckbuch liegt dort auf dem Tisch«, sagte er weiter. »Es würde mich freuen, wenn Sie mir einen Wechsel auf sechstausend Pfund ausstellten. Sie können das Geld der Länder-Bank in der Oxford Street in London überweisen, wo ich mein Konto habe.«
»Soll das ein Scherz sein?«, antwortete der Herzog, der sich in seinem Stuhl in die Höhe gerichtet hatte und Holmes streng und starr ansah. »Die Sache ist kaum zu einem Ulk geeignet.«
»Allerdings nicht, Hoheit. Ich bin nie im Leben ernster gewesen als jetzt.«
»Was wollen Sie denn also damit sagen?«
»Ich will damit sagen, dass ich die Belohnung verdient habe. Ich kenne den Aufenthaltsort Ihres Sohnes und kenne auch, wenigstens teilweise, die Leute, die ihn festhalten.«
Des Herzogs Bart erschien noch röter und sein Gesicht noch
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