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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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schreibe häufig bis zum frühen Morgen. Das war auch vergangene Nacht wieder der Fall. Ich saß wie gewöhnlich in meinem Studierzimmer hinten im obersten Stock; es mochte gegen drei Uhr sein, da hörte ich von unten ein Geräusch. Ich horchte auf, aber es regte sich nichts weiter, und ich dachte daher, der Lärm wäre von außen gekommen. Doch kaum fünf Minuten später, Mr Holmes, drang ein schreckliches Geschrei an mein Ohr – das furchtbarste, das ich je gehört habe. Es wird mir mein Leben lang in den Ohren gellen. Eine oder zwei Minuten saß ich, vom Schreck wie angenagelt, auf meinem Stuhl, dann ergriff ich den Ofenhaken und lief die Treppe hinunter. Als ich in dieses Zimmer hier trat, stand das Fenster weit offen, und meine Büste war verschwunden. Wie ein Dieb sich an einem solchen Ding vergreifen konnte, war mir unverständlich, denn es war ein einfacher Gipsabguss ohne besonderen Wert.
    Wie Sie selbst sehen können, war nur ein Mann mit sehr langen Beinen imstande, durch einen Sprung durch das offene Fenster die obere Treppenstufe zu erreichen. Als ich nun die Haustür öffnete und hinaustrat, fiel ich in der Dunkelheit beinahe über eine Leiche. Ich lief zurück und holte ein Licht. Auf dem obersten Treppenstein lag ein Mann mit angezogenen Knien und weit geöffnetem Mund, er hatte eine klaffende Wunde am Hals und schwamm in seinem Blut – sein Bild wird mir noch im Traum erscheinen. Ich gab schnell einen Notpfiff und muss dann in Ohnmacht gefallen sein, denn ich kann mich auf nichts mehr besinnen, bis ich die Schutzleute erblickte, die mir zu Hilfe geeilt und über mich gebeugt waren.«
    »Und wer war der Ermordete?«, fragte Holmes.
    »Wir haben noch keine Zeit gehabt, seine Persönlichkeit festzustellen«, antwortete Lestrade. »Sie werden ihn in der Leichenhalle sehen. Er ist ein großer, kräftiger Mann mit sonnengebräuntem Gesicht und kann höchstens dreißig Jahre alt sein. Er ist zwar ärmlich gekleidet, macht aber doch nicht den Eindruck, als ob er dem Arbeiterstand angehöre. Neben ihm in einer Blutlache lag ein schwedisches Messer mit Horngriff. Ob der Mord damit ausgeführt ist, weiß ich nicht. Die Kleidungsstücke des Toten zeigten keinen Namenszug, und in den Taschen fanden wir weiter nichts als einen Apfel, einen Strick, einen Plan von London und eine Fotografie. Ich habe sie hier.«
    Es war allem Anschein nach eine Momentaufnahme. Sie stellte einen lebhaften, flinken Mann dar mit affenartigen Zügen und tierischen Augenbrauen, sodass die untere Gesichtspartie wie bei einem Pavian aussah.
    »Und was ist aus der Büste geworden?«, fragte Holmes, nachdem er die Fotografie genau betrachtet hatte.
    »Darüber haben wir erst kurz vor Ihrer Ankunft Mitteilung bekommen, Sie ist in dem Vorgarten eines unbewohnten Hauses in der Campdon Street gefunden worden. Sie ist in Stücke zerschlagen. Ich will eben hingehen und sie in Augenschein nehmen. Wenn Sie mitkommen wollen –?«
    »Gewiss. Ich will mich nur erst hier einen Augenblick umsehen.« Er untersuchte das Fenster und das Gärtchen. »Der Kerl hat entweder außergewöhnlich lange Beine oder ist ein ausgezeichneter Springer«, sagte er. »Vom Garten aus war es sehr schwer, das Fenster zu erreichen und zu öffnen. Der Rückweg war verhältnismäßig einfach. Wollen Sie auch mitkommen, Mr Harker, um die Überreste der Büste zu sehen?«
    Der untröstliche Journalist hatte sich mittlerweile an den Schreibtisch gesetzt.
    »Ich muss doch noch versuchen, die Sache auszunutzen«, erwiderte er, »wenn auch jedenfalls die ersten Ausgaben der Abendblätter schon ausführliche Berichte bringen werden. Es ist eben mein gewohntes Pech! Wissen Sie noch, wie der Posten in Doncaster erschossen wurde? Damals war ich der einzige Zeitungsmann am Tatort und meine Zeitung die einzige, in der nichts über den Vorfall stand, weil ich auch zu erschüttert war, um schreiben zu können. Und jetzt werde ich sogar mit der Meldung eines Mordes, der vor meiner eigenen Haustür passiert ist, zu spät herauskommen.«
    Als wir hinausgingen, hörten wir seine Feder kratzend über das Papier fahren.
    Die Stelle, wo die Bruchstücke der Büste gefunden worden waren, war nur ein paar hundert Meter entfernt. Hier sahen wir zum ersten Mal die Scherben der Büste des großen Kaisers, der einen so furchtbaren Hass in der Seele des Unbekannten erregt zu haben schien. Holmes hob einige auf und unterwarf sie einer genauen Untersuchung. Die Spannung auf seinem Gesicht und sein ganzes

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